Armageddon 05 - Die Besessenen
Supervisor per Datavis.
»Ich hab’ noch nie jemanden im Verlauf einer einzigen Befragung soviel Blödsinn erzählen hören«, antwortete Brent Roi. »Entweder ist sie zurückgeblieben, oder wir haben es mit einer ganz neuen Art von Infiltration durch die Besessenen zu tun.«
»Sie ist nicht geistesschwach.«
»Was zur Hölle ist sie dann? Niemand kann so dämlich sein! Das ist vollkommen unmöglich!«
»Ich glaube auch nicht, daß sie dumm ist. Das ist genau unser Problem, Brent. Wir sind an derart komplexe Täuschungsmanöver gewöhnt, daß wir die einfache Wahrheit selbst dann nicht mehr erkennen, wenn wir sie vor Augen haben.«
»Ach, kommen Sie! Sie glauben diesen Mist doch wohl nicht wirklich?«
»Sie stammt, wie Sie ganz richtig festgestellt haben, aus der Landbesitzerkaste von Norfolk, was sie nicht gerade zu einer perfekten Besetzung für die Rolle der galaktischen Meisterkriminellen macht. Und sie reist mit ihrer Schwester.«
»Das ist nur Tarnung.«
»Brent, Ihr Zynismus ist deprimierend.«
»Jawohl, Sir.« Er beherrschte seinen aufkeimenden Ärger; damit hatte er noch nie den geringsten Eindruck bei seinem Supervisor erwecken können. Die anonyme Entität, die ihn in den letzten zwanzig Jahren seines Lebens geführt hatte, schien nur wenige menschliche Reaktionen zu kennen. Manchmal fragte sich Brent Roi ernsthaft, ob er es nicht mit einem Xeno zu tun hatte. Nicht, daß er im Augenblick viel hätte dagegen unternehmen können; welchem Zweig in welchem Geheimdienst der Supervisor auch angehören mochte, es war ganz ohne Zweifel eine beträchtliche Macht in den Reihen von GovCentral. Seine eigene glatte, beschleunigte Karriere bei den Polizeikräften des O’Neill-Halos waren Beweis genug dafür.
»Es gibt da ein paar Faktoren in Mrs. Kavanaghs Geschichte, die meine Kollegen und ich ausnehmend interessant finden.«
»Welche Faktoren, Sir?« fragte Brent.
»Sie wissen, daß ich derartige Fragen nicht beantworte, Brent.«
»Also schön. Was soll ich jetzt mit ihr machen?«
»Endron hat die Ereignisse auf dem Phobos gegenüber der marsianischen Polizei bestätigt; allerdings müssen wir noch herausfinden, was auf Norfolk mit den Kavanaghs geschehen ist. Bereiten Sie alles für eine direkte Erinnerungsextraktion vor.«
Im Verlauf der letzten fünfhundert Jahre hatte das Konzept von Downtown in New York eine ganz neue und buchstäbliche Bedeutung gewonnen; natürlich galt das gleiche auch für Uptown. Eine Sache jedoch würde sich wohl niemals ändern: New York wachte noch immer eifersüchtig über das Recht, sich des größten Einzelgebäudes auf dem gesamten Planeten zu rühmen. Obwohl dieser Anspruch in der einen oder anderen Dekade eines jeden Jahrhunderts immer wieder von aufstrebenden Rivalen in Europa oder Asien gestohlen wurde, kam die Trophäe irgendwann stets nach New York zurück.
Die Arkologie erstreckte sich inzwischen über mehr als vierhunderttausend Quadratkilometer und beherbergte (offiziell) dreihundert Millionen Einwohner. Mit New Manhattan im Epizentrum drängten sich fünfzehn kristalline Kuppeln von jeweils zwanzig Kilometern Durchmesser in einem gigantischen Halbkreis entlang der östlichen Küste, in denen ganze Distrikte aus gewöhnlichen Wolkenkratzern (definiert als Gebäude mit einer Höhe von unter einem Kilometer) vor der bedrückenden Hitze und den Stürmen Schutz fanden. Wo die Kuppeln ineinander übergingen, ragten gigantische Megatürme in den verzerrten Himmel hinauf. Mehr als alles andere entsprachen diese Kolosse dem alten Konzept der Arkologie als einer ganzen Stadt in einem einzigen Gebäude. In ihnen gab es Wohnungen, Einkaufszeilen, Fabriken, Büros, Stadien, Schulen, Universitäten, Parks, Polizeiwachen, Verwaltungszentren, Krankenhäuser, Restaurants, Bars und Freiräume für jede nur denkbare menschliche Aktivität des siebenundzwanzigsten Jahrhunderts. Tausende und Abertausende Bewohner wurden in ihrem Innern geboren, lebten und starben dort, ohne das Gebäude jemals zu verlassen.
Mit einer Höhe von fünfeinhalb Kilometern war der Reagan Tower der gegenwärtige globale Champion. Sein Fundament stand auf dem Felsenbett, wo sich vor dem Zeitalter der Armadastürme die kleine Stadt Ridgewood befunden hatte. Ein Appartement auf einer der fünfzig oberen Etagen kostete fünfzehn Millionen Fuseodollars, und das letzte davon war bereits zwölf Jahre vor dem eigentlichen Baubeginn verkauft worden. Die Bewohner, allesamt Angehörige der neuen Klasse der
Weitere Kostenlose Bücher