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Armageddon 06 - Der nackte Gott

Armageddon 06 - Der nackte Gott

Titel: Armageddon 06 - Der nackte Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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war nichts zu sehen außer den alten Zedern, großen grauen Schatten, die über Cricklades Obsthaine und Weidegründe wachten. Ernst und erhaben in ihrer Größe und Vertrautheit.
    Draußen herrschte vollkommene Stille. Es war ein so schaler Morgen, daß nicht einmal die einheimischen Tiere aus ihrem Bau kommen wollten. Tautropfen bedeckten jedes Blatt, und die Äste bogen sich schwer vom Gewicht des Wassers. Es sah aus, als ließe jeder Busch und jeder Baum apathisch die Schultern hängen.
    »Um Himmels willen, komm zurück ins Bett«, murmelte Susannah. »Mir ist kalt.«
    Sie lag in der Mitte ihres riesigen Himmelbettes, die Augen geschlossen, und zog schläfrig die Decke über die Schultern hoch. Ihr dunkles Haar lag ausgebreitet auf den zerwühlten Kissen wie ein zerbrochenes Vogelnest. Es war nicht mehr so lang wie früher einmal, dachte er wehmütig. Daß sie beide wieder zusammengekommen waren, schien im Nachhinein betrachtet unausweichlich. Wieder zusammen, zumindest in einer Hinsicht. Aus welchem Winkel man es auch betrachtete, sie waren für einander geschaffen. Außerdem hatte er sich einmal zuviel mit Lucy gestritten.
    Luca wandte sich vom Fenster ab und kehrte zum Bett zurück. Er blickte auf seine Liebe hinab. Ihre Hand kroch unter der Decke hervor und tastete suchend nach ihm. Er faßte sie sanft und beugte sich vornüber, um ihre Knöchel zu küssen, eine Geste, die sie sich seit jenen Tagen bewahrt hatten, da er um sie geworben hatte.
    Sie lächelte verschlafen und gurrte: »Das ist schon besser. Ich hasse es, wenn du jeden Morgen so aus dem Bett springst.«
    »Aber ich muß. Der Gutsbetrieb läuft schließlich nicht von alleine. Ganz besonders im Augenblick. Ehrlich, ein paar von den Scheißkerlen sind noch dümmer und fauler, als sie es vorher waren.«
    »Was spielt das denn für eine Rolle?«
    »Eine große. Wir müssen immer noch eine Ernte einbringen. Niemand weiß, wie lange dieser Winter dauern wird.«
    Sie hob den Kopf und blickte ihn in vorsichtiger Verwirrung an. »Er wird genauso lange dauern wie sonst auch immer, wie jedes Jahr. Das ist richtig für diese Welt, und so fühlen wir es alle. Also wird der Winter auch genauso lange dauern. Hör auf, dir Sorgen zu machen.«
    »Sicher.« Er wandte den Kopf unentschlossen wieder zum Fenster. Spürte die Versuchung.
    Sie setzte sich auf und musterte ihn kritisch. »Was ist denn los? Ich kann spüren, daß du dir Sorgen machst. Es ist nicht allein die Ernte.«
    »Nicht allein, stimmt. Du und ich, wir wissen beide, daß es meine Aufgabe ist dafür zu sorgen, daß alles richtig gemacht wird. Nicht nur, weil die anderen eine Bande von Faulenzern sind. Sie benötigen die Art von Führung, die nur Grant ihnen geben kann. Welche Silos für welches Getreide verwendet werden und wie stark es vorher getrocknet werden muß.«
    »Das kann ihnen auch Mister Butterworth sagen.«
    »Du meinst Johan.«
    Sie vermieden es, sich anzusehen, doch das schwache Schuldgefühl war in beiden das gleiche. Identität war dieser Tage auf Norfolk zu einem Tabuthema geworden.
    »Sicher, kann er«, entgegnete Luca. »Aber ob sie auf ihn hören und hinterher die Arbeit auch tun ist eine ganz andere Sache. Wir haben noch immer einen weiten Weg vor uns, bis wir wieder zu einer großen harmonischen Familie zusammengewachsen sind, die für das Wohl der Allgemeinheit arbeitet.«
    Susannah grinste. »Also muß man ihnen in die Ärsche treten?«
    »Verdammt richtig!«
    »Und warum machst du dir dann so große Sorgen?«
    »Tage wie dieser geben mir Zeit zum Nachdenken. Sie sind so langsam. Im Augenblick gibt es keine dringenden Arbeiten zu erledigen, bis auf Unkraut jäten und das Zurechtstutzen der Stöcke. Und Johan ist voll und ganz in der Lage, die Aufsicht zu führen.«
    »Ah.« Sie zog die Knie an das Kinn und schlang die Arme um die Beine. »Die Mädchen, wie?«
    »Ja«, gestand er kleinlaut. »Die Mädchen. Ich hasse diesen Gedanken, weißt du? Er bedeutet, daß ich inzwischen mehr Grant als ich selbst bin. Daß ich die Kontrolle über mich selbst verliere. Das kann einfach nicht richtig sein. Ich bin immer noch Luca, und die beiden Mädchen bedeuten mir nicht das geringste. Ich habe absolut nichts mit ihnen zu schaffen.«
    »Ich auch nicht«, gestand sie elend. »Aber ich glaube, wir kämpfen gegen eine instinktive Regung, die wir niemals überwinden können. Es sind schließlich die Töchter dieser Körper, Luca. Und je mehr ich mich an diesen Körper gewöhne, je mehr er zu

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