Armageddon 06 - Der nackte Gott
das neue Segment einzupassen. Anschließend wurden die Molekularbindungsgeneratoren getestet und sichergestellt, daß alles nahtlos in den Rest der energetischen Wetterverteidigung der Kuppel integriert war.
Die Überprüfung der superharten Träger aus Kohlefaser und der Austausch verdächtiger Bauteile der geodätischen Struktur dauerten noch an, als sich die Dunkelheit herabsenkte. Die Arbeiten wurden im Flutlicht der Kriecher fortgesetzt.
Ein gutes Stück tiefer waren die Aufräumarbeiten an den Ruinen von Parsonage Heights ebenfalls in vollem Gange. Fünf Mechanoiden hatten das Feuer gelöscht, das in dem zerfetzten Stummel des oktagonalen Turms gewütet hatte. Sanitäter zogen die Verletzten aus den verbliebenen sieben Türmen des Entwicklungsprojekts, die mit einem Blizzard von zerfetztem Glas und tödlichen Splittern bombardiert worden waren. Kleinere Feuer waren in den beiden benachbarten Wolkenkratzern ausgebrochen. Inspektoren der Stadtverwaltung hatten den größten Teil des Tages mit der Untersuchung und Vermessung der beschädigten Gebäude verbracht, um herauszufinden, ob sie noch zu retten waren. Die Überreste des zerstörten Turms waren verloren und mußten abgetragen werden. Die verbliebenen acht Stockwerke waren gefährlich geschwächt; stählerne Träger waren unter der Hitze des Röntgenlasers geschmolzen und aus den Platten aus Carbo-Beton geflossen wie Marmelade aus einem Doughnut. Die Gerichtsmediziner gingen als erstes hinein, nachdem sich die Feuerwehrmechanoiden zurückgezogen hatten und die Wände abgekühlt waren. Die Leichen, die sie aus den Trümmern bargen, waren von der Strahlung bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.
Es war das größte Londoner Spektakel seit Menschengedenken, und es zog große Menschenmassen an, die sich über den Markt und die umgebenden Straßen verteilten. Zivilisten vermischten sich mit Sensationsreportern und gafften mit offenen Mündern auf das Bild der Zerstörung und die Arbeiten am Kristalldach der Kuppel hoch oben. Es war offensichtlich, daß eine Orbitalwaffe verantwortlich war für das Desaster, obwohl die einheimischen Behörden dies entschieden dementierten. Am frühen Morgen hatte das Büro des Bürgermeisters widerwillig verlauten lassen, daß die Polizei einen Besessenen in den oberen Stockwerken vermutet hatte. Auf die Frage hin, wie denn ein Besessener überhaupt London hatte infiltrieren können, wies die Sprecherin des Büros darauf hin, daß sich im Lagerhaus unter dem Turm ein Sektennest befand. Die Akolythen, so versicherte sie den Reportern, seien zwischenzeitlich ausnahmslos in Arrest genommen worden. Zumindest diejenigen, die den Orbitalschlag überlebt hatten.
In London breitete sich Nervosität aus, je mehr Fakten im Verlauf des Morgens und Nachmittags aus verschiedenen Behörden GovCentrals ans Licht kamen, eine Menge davon widersprüchlich. Mehrere Anwälte, beauftragt von Verwandten der im Turm verbrannten Bewohner, reichten Anklagen ein gegen die Polizei wegen des Gebrauchs übermäßiger Gewalt und beschuldigten den Commissioner der Fahrlässigkeit, weil er nicht versucht hatte, das Gebäude vorher zu evakuieren. Immer mehr Menschen erschienen nicht mehr auf ihren Arbeitsstellen. Produktivität und Ladenverkäufe sanken in einem nie gekannten Ausmaß, mit der Ausnahme von Lebensmittelvorräten. Die Menschen hamsterten kistenweise tiefgefrorene Nahrung und Fertigmahlzeiten.
Und die ganze Zeit über strahlten die Nachrichtensender Bilder des zerstörten Wohnturms mit seinen geschwärzten, schwach radioaktiven Zacken aus Carbo-Beton aus. Leichensäcke, die über Berge von Schutt getragen wurden, bildeten einen grimmigen Hintergrund für den gesamten Tag, über den Nachrichtensprecher und ihre Studiogäste immer wieder diskutierten.
Zusammen mit den Gerichtsmedizinern wurde die Spurensicherung der Polizei in den Turm geschickt. Ihre Befehle waren nicht sonderlich präzise; sie sollten lediglich nach Ungewöhnlichem Ausschau halten. Drei Experten des lokalen GISD-Büros waren bei ihnen, doch sie blieben unter all den anderen, die in dem abgesperrten Gebiet herumstocherten, vollständig anonym.
Als es dunkel wurde, gingen die Gaffer nach Hause, und zurück blieb eine einfache Absperrung, gesichert von Beamten, die sich sehnlichst wünschten, an jenem Abend für eine andere Aufgabe eingeteilt worden zu sein.
Noch vor Mitternacht hatten die Experten vom GISD einen vorläufigen Bericht zusammengestellt, in dem sie die Ergebnisse und
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