Armageddon 06 - Der nackte Gott
wäre nett, eine Erklärung dafür zu erhalten. Nichtsdestotrotz konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum jemand mit genügend Macht, die Ausgangssperre zu ignorieren, sie und ihre kleine Schwester sehen wollte.
Ihre Hoffnung, daß sich alles rasch aufklären würde, erhielt einen kleinen Dämpfer, als das Fahrzeug eine Rampe hinunter zum Boden nahm und auf direktem Weg in einen achtspurigen Tunnel steuerte. Hinter ihm glitten mächtige Türen zu, und dann gab es nichts mehr zu sehen außer Wänden aus Carbo-Beton, die von blendfreien blau-weißen Lampen erhellt wurden. Mehr noch als die Arkologie vermittelte die breite verlassene Straße Louise einen Eindruck von den Folgen der Ausgangssperre und dem Gefühl der Angst, das Londons Bürger dazu brachte, den Anordnungen der Behörden Folge zu leisten.
Einige Zeit und eine unbekannte Entfernung später bogen sie von der Schnellstraße in einen schmaleren Tunnel ab, der hinunter zu den Industriegebieten Londons führte. Der Wagen steuerte in eine riesige unterirdische Garage mit einem Dach, das eher zu einem altertümlichen Bahnhof des Dampfzeitalters gepaßt hätte. Lange Reihen schmutziger schwerer Oberflächenfahrzeuge standen verlassen in den Parkbuchten. Das Streifenfahrzeug fuhr weiter, bis sie zu einer Parkbucht mit einem VW-Militärtransporter kamen. Zwei Techniker und drei Mechanoiden arbeiteten hektisch an dem großen Fahrzeug und machten es bereit für seine neue Aufgabe.
Die Wagentür glitt auf, und ein Schwall feuchtwarmer Luft drang ins Innere, der stark nach Pilzen roch. Genevieve hielt sich die Nase in übertriebenem Abscheu zu, als sie Robson und ihrer großen Schwester nach draußen folgte, um einen Blick auf den VW zu werfen. Der Truppentransporter besaß auf jeder Seite sechs Doppelreifen von eineinhalb Metern Durchmesser, deren Profil tief genug war, um Genevieves Hand Platz zu bieten. Auf der Rückseite befand sich eine schwere einziehbare Kettenlafette, die imstande war, das Fahrzeug aus dem Morast zu schieben, falls es bis über die Achsen einsank. Der schmutzig-olivfarbene Rumpf erinnerte an einen flachen Bootskörper, mit kleinen rechteckigen Fenstern an den Seiten und einer großen, zweigeteilten Windschutzscheibe vorn. Das Glas war tief dunkel gefärbt. Wegen seiner schweren Panzerung aus Stahl und Titan wog das Gefährt Sechsundsechzig Tonnen, womit es praktisch nicht einmal von einem Armadasturm umgeworfen werden konnte. Nur um sicherzugehen besaß der Transporter außerdem sechs Sicherungskanonen, die lange gefiederte Harpunen in den Boden schießen und so für zusätzliche Stabilität sorgen konnten für den Fall, daß er jemals draußen von rauhem Wetter überrascht wurde.
Langsam ließ Genevieve den Blick über das schmutzüberkrustete Ungetüm gleiten. »Wir gehen nach draußen?« fragte sie überrascht.
»Sieht danach aus«, antwortete Robson vergnügt.
Einer der Mechanoiden erhielt den Befehl, das Gepäck der beiden Schwestern auszuladen und in einem Kasten an der Seite des Transporters zu verstauen. Ein Techniker zeigte ihnen die Einstiegsluke.
Die Fahrgastkabine des Truppentransporters war ursprünglich für vierzig Personen ausgelegt gewesen; diese hier besaß zehn äußerst komfortable schwenkbare Ledersessel. Im Heck befanden sich eine Toilette und eine kleine Bordküche, und vorne eine dreisitzige Fahrerkabine. Der Pilot stellte sich als Yves Gaynes vor.
»Leider haben wir keine Stewardeß an Bord«, sagte er. »Also bedienen Sie sich einfach selbst, falls Sie etwas zu essen oder zu trinken wünschen. Wir sind mit allem gut versorgt.«
»Wie lange soll unsere Fahrt dauern?« fragte Louise.
»Wenn alles glatt geht, müßten wir bis zum Fünfuhrtee wieder da sein.«
»Und wohin genau fahren wir?«
Gaynes zwinkerte. »Das ist geheim.«
»Dürfen wir vorne sitzen? Bitte?« bettelte Genevieve. »Ich möchte so gerne sehen, wie es draußen auf der Erde ist.«
»Sicher, kein Problem.« Er winkte das junge Mädchen zu sich nach vorn, und sie kletterte auf einen der Pilotensitze.
Louise blickte Robson an. »Na los, gehen Sie schon«, sagte er. »Ich war schon öfters draußen.« Sie gesellte sich zu ihrer Schwester.
Yves Gaynes saß vor einer Konsole und begann mit der Anlaufprozedur. Die Schleuse glitt zu, und die Luftfilter liefen an. Louise stieß einen Seufzer aus, als die Luft kühler wurde und Feuchtigkeit und Gestank nachließen. Der Transporter setzte sich in Bewegung. Am anderen Ende der Garage
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