Armageddon 06 - Der nackte Gott
gewesen. Doch sein Körper blieb immerfort kalt, und hinter seinen Schläfen verbarg sich ein heimtückischer Schmerz, den selbst Lorens energistische Macht nicht ganz vertreiben konnte. Was Gerald benötigte war wenigstens eine Woche richtigen Schlafes, einen Monat anständigen Essens und ein Jahr auf der Couch eines Psychiaters. Aber das alles mußte warten.
Sie befanden sich irgendwo im Innern der Raumhafensektion, die Kiera für sich und ihre Anhänger in Beschlag genommen hatte. Das Zentrum der Intrigen. Nur, daß es praktisch verlassen lag. Abgesehen von den beiden Schlägern, die sie nach ihrer Rückkehr getötet hatte, waren ihr bisher nur drei andere Besessene über den Weg gelaufen. Keiner hatte ihr auch nur die geringste Aufmerksamkeit geschenkt, als sie mit angespannten Gedanken ihren jeweiligen Befehlen nachgeeilt waren, wie auch immer diese lauten mochten. Die Hallen und Gänge waren ausnahmslos leer und verlassen.
Loren betrat die Haupthalle, und die unpersönliche Einrichtung zusammen mit dem unaufdringlichen Mobiliar erzeugten fast eine Atmosphäre von Vertrautheit. Es war ein Ort, den sie oft genug aus dem Jenseits gesehen hatte. Kieras Schlupfwinkel.
Geralds Hand fuhr über das wollähnliche Gewebe des Sofas. Marie hatte stundenlang darauf gesessen und zu ihren Mitverschwörern gesprochen. Die Kaffeemaschine, die sie zusammen mit dem guten Porzellan hergebracht hatte, köchelte noch immer vor sich hin und erfüllte den Raum mit ihrem aromatischen Duft. Seine Augen bewegten sich hastig hinüber zu der Schlafzimmertür. Die Gedanken bei den Männern, die sie mit sich dort hinein genommen hatte.
Loren versuchte die Seelen im Jenseits zu fragen, wo Kiera steckte. Doch die Unruhe und Aufregung durch den Arnstadt-Zwischenfall rührte die ewige Kakophonie von Stimmen noch mehr auf als gewöhnlich. Sie erhielt ein paar Ausblicke auf eine weibliche Gestalt. Möglicherweise Kiera. Sie rannte zusammen mit einer Gruppe von Leuten durch einen unbekannten Korridor.
Das Gesicht sah Maries weniger ähnlich als noch kurze Zeit zuvor.
Loren fluchte böse. So weit war sie gekommen. Gerald und sie hatten Entsetzen und Horror durchgemacht, die weit über alles hinausgingen, was die Menschheit bis dahin gekannt hatte. Sie hatten sie überstanden. Sie waren so verdammt nah gewesen. Welche omnipotente Entität auch immer das Jenseits geschaffen haben mochte, mit Sicherheit war sie es auch gewesen, die verantwortlich zeichnete für das Konzept des Schicksals.
Loren konnte spüren, wie Gerald zusammenzubrechen drohte, als die Aussicht auf die Errettung ihrer gemeinsamen Tochter wieder einmal in weite Ferne zu rücken drohte. Es wird nicht so weit kommen, versprach sie ihm.
Während sie sich durch die Halle bewegte, sah sie draußen auf dem Sims einen Hellhawk auf seinem Landegestell. Geralds Überraschung ließ sie innehalten, und dann erkannte sie die unverstellte Form der Mindori. Plattformen und Laufstege umgaben die Frachtmodule, die von hellen Flutlichtern angestrahlt wurden. Wartungsmannschaften in schwarzen SII-Raumanzügen waren damit beschäftigt, massive Ausrüstungsteile zu installieren und die Energie- und Kühlleitungen mit den existierenden Apparaturen des Hellhawks zu verbinden. Loren verstand zwar nichts von alledem, doch sie war sicher, daß sie jetzt eine Fluchtroute hatten, sollte der Zeitpunkt kommen. Vorausgesetzt, dieser Zeitpunkt kam bald.
Sie verließ die Halle und stieg eine Ebene hinunter. Sie fand sich im Technikbereich wieder. Offensichtlich hatten die zuständigen Arbeitskräfte in letzter Zeit keine Mühe auf interne Instandhaltung verschwendet. Lichtpaneele an den hohen Korridordecken leuchteten in schwachem Gelb, und ein paar der Belüftungsgitter gaben ein ärgerliches Brummen von sich, während sie in unregelmäßigen Abständen frische Luft in den Raum bliesen. Die meisten arbeiteten überhaupt nicht mehr. Der einzige Hinweis, daß die Sektion nicht völlig verlassen war, stammte von einem beinahe unhörbaren Brummen schwerer Maschinen. Loren drehte sich um sich selbst, um die Richtung herauszuhören, neugierig, was an einem Ort wie diesem noch funktionierte, wo offensichtlich niemand in der Nähe war.
Als sie schließlich die fragliche Tür entdeckt und geöffnet hatte, fand sie sich in einer großen Werkstatt wieder, die zu einer kybernetischen Fabrik umgebaut worden war. Lange Reihen von Fabrikationsmaschinen arbeiteten mit entschlossener Wut vor sich hin. Sie hämmerten,
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