Armageddon 06 - Der nackte Gott
Sammelplatz war verlassen, obwohl Schlammspuren zeigten, wie viele Fahrzeuge hier aufmarschiert waren. Über dem Platz legte sich die Stony in eine enge Kurve und verließ ihren bisherigen Kurs, um dem Verlauf der Nebenstraße zu folgen. Ein paar Minuten später kreisten sie über dem, was von Exnall noch übrig war.
Das Landefeld der Besatzungsmacht war ein breites Komposit-Mikrogeflecht, das ein Stück flaches Land am (offiziellen) Stadtrand bedeckte, mit einem Fundament aus chemischen Bindemitteln, die den Schlamm darunter erhärteten. Noch immer quoll an zahlreichen Stellen Schlamm aus der improvisierten Landebahn, wo die Chemikalien nicht abgebunden hatten.
Keiner an Bord der Maschine war überrascht, als Tim und Hugh aus der offenen Luke der Stony sprangen. Sie grinsten nur, als die beiden Reporter Mühe hatten, die Füße aus dem Schlamm zu lösen.
Tim öffnete eine neue Speicherzelle für seinen Bericht und reduzierte hastig seine Riechempfindlichkeit. Die meisten der toten Tiere und abgestorbenen Pflanzen waren vom Schlamm verschlungen worden, doch die konstanten Regenschauer auf der Halbinsel deckten immer wieder neue Kadaver auf. Zum Glück war der Gestank nicht mehr annähernd so stark wie am Anfang.
Sie hielten einen Jeep an und ließen sich auf der Pritsche zum Besatzungsquartier mitnehmen, das die Königlichen Marines auf dem freien Platz am Ende von Maingreen errichtet hatten.
»Wo war das Büro von DataAxis?« fragte Tim.
Hugh blickte sich suchend um in dem Bemühen, etwas in der fremdartigen Umgebung zu erkennen. »Ich bin nicht sicher; ich müßte erst einen Trägheitsleitblock fragen. Das hier sieht aus wie Pompeji am Morgen danach.«
Tim zeichnete weiter auf, während sie durch die tiefen Rinnen im Schlamm wateten, und konservierte Hughs Bemerkungen über die wenigen markanten Punkte seiner alten Stadt, die er noch wiedererkannte. Die Sintflut hatte Exnall hart getroffen. Schlammlawinen hatten die mächtigen Harandridenbäume entwurzelt; sie waren auf eben jene Häuser gestürzt, die sie früher so majestätisch überragt hatten, und hatten sie zum Einsturz gebracht, noch bevor das Wasser die Fundamente unterspülen konnte. Leichtbaudächer aus Kohlefaser waren abgerissen und auf dem Schlamm davongetrieben. Eine ganze Gruppe von ihnen war am Ende von Maingreen zur Ruhe gekommen; es sah aus, als wäre die Hälfte aller Bauwerke der Stadt bis zu den Regenrinnen zusammen begraben worden. Fassaden waren frei umhergetrieben wie architektonische Flöße, bis der nach und nach erhärtende Schlamm sie an einer neuen Stelle verankert hatte. Wo sie auf Straßen zur Ruhe gekommen waren, waren Jeeps und Transporter geradewegs über sie hinweggefahren und hatten parallele Reihen von Ziegeln und Holzbalken tiefer und tiefer in den trocknenden Matsch gedrückt. Allein die Fundamente und die abgerissenen Reste der Erdgeschoßmauern verrieten noch die ursprünglichen Umrisse der Stadt, zusammen mit halb versunkenen Stümpfen schmutzbedeckter Harandriden.
Im zentralen Verwaltungsbezirk waren Iglus und Hallen aus programmierbarem Silikon errichtet worden, die als Quartier für die Besatzer dienten; weder die Stadthalle noch das Polizeigebäude hatten die Katastrophe überstanden. Armeeverkehr füllte die schmalen Gassen zwischen den neuen Bauwerken, dazwischen immer wieder Trupps von Serjeants oder Besatzungstruppen. Tim und Hugh stiegen aus dem Jeep, um sich umzusehen.
Hugh musterte die zahlreichen Hügel in der Landschaft und konsultierte seinen Leitblock. »Hier ungefähr muß es passiert sein«, sagte er schließlich. »Hier hat sich die Menschenmenge nach Finnualas offener Datavis-Übertragung versammelt.«
Tim ließ den Blick über das düstere Panorama schweifen. »Sieg um welchen Preis?« sagte er leise. »Das hier ist nicht einmal das Auge des Sturms.« Er zoomte auf mehrere stehende Tümpel und untersuchte das geknickte Gras und die Sträucher, die an den Rändern des Wassers um ihr Überleben kämpften. Wenn tatsächlich Vegetation auf diese Halbinsel zurückkehren würde, dann konnte sie sich höchstens von frischem Wasser her ausbreiten, vermutete Tim. Diese schmutzigen, durchweichten Stengel dienten nur noch Pilzen als Wirt, die in der hohen Feuchtigkeit prächtig gediehen. Er bezweifelte stark, daß sie noch viel länger durchhalten würden.
Sie wanderten durch das Lager und fingen zufällige Bilder der sich neu organisierenden Armee auf. Verletzte Serjeants lagen in langen Reihen auf den
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