Armageddon 06 - Der nackte Gott
hast.«
Beaulieu tastete die Oberfläche der Sonnenseite über das gesamte elektromagnetische Spektrum ab, während die Lady Macbeth zu den Koordinaten hin verzögerte, die Quantook-LOU genannt hatte. Die Geflechtröhren und Folien dazwischen unterschieden sich nicht vom Rest der Sonnenseite, doch sie hoben sich halbkugelförmig aus der ansonsten relativ flachen Ebene der Scheibenstadt, genau an der gleichen Stelle wie auf der Dunkelseite.
»Der Knoten mißt etwa drei Kilometer im Durchmesser und ist neunhundert Meter hoch, und ich habe nicht die geringste Ahnung, was sich im Inneren befindet«, berichtete Beaulieu. »Fast achtzig Prozent des Knotens und des umliegenden Geflechts scheinen tot zu sein. Das transparente Oberflächenmaterial ist gesprungen, und die Trägerkonstruktion ist an verschiedenen Stellen gerissen. Trotzdem bleibt noch genügend Masse, um den Innenraum vollkommen vor unseren Sensoren abzuschirmen.«
»Das gefällt mir nicht«, sagte Liol. »Mehr als zehn Kubikkilometer, von denen wir nicht das geringste wissen. Sie könnten so gut wie alles dort drin verstecken.«
»Nichts, das auf einer regelmäßigen Basis benutzt wird«, entgegnete Ashly.
»Genau. Beispielsweise die größte Waffe, die sie besitzen.«
»Die elektrischen und magnetischen Felder sind normal«, sagte Beaulieu. »Ich registriere keinerlei größere Energiequellen über und unter der Scheibe.«
»Keine aktiven, meinst du vielleicht. Die Energie für einen Beschuß ist wahrscheinlich längst gespeichert.«
»Gespeichert? Wofür?« fragte Sarha.
»Ich weiß es nicht. Wir haben noch nicht ein Prozent dieses Sternensystems erforscht. Wir wissen nicht, was dort draußen lauert. Flüchtlingsflotten vielleicht, von anderen Scheibenstädten. Xenos aus dem Orion-Nebel. Besessene Mosdva.«
»Jetzt hör aber auf.«
»Ich verstehe«, sagte Joshua. »Wir müssen vorsichtig sein.«
»Die Oenone könnte zu Ihnen springen«, sagte Syrinx. »Unser Raumverzerrungsfeld ist durchaus imstande, das Innere dieses Knotens zu sondieren.«
»Nein«, entschied Joshua. »Ich glaube nicht, daß wir unseren größten Vorteil schon jetzt aus der Hand geben sollten. Beaulieu, ich möchte, daß du diesen Knoten ununterbrochen im Auge behältst. Bei der kleinsten Veränderung der energetischen Zustände springen wir in Sicherheit. Bis dahin wollen wir sehen, was Quantook-LOU uns noch so alles erzählt.« Joshua löschte die überlagernden Diagramme und Daten von den Sensoren, bevor er sich wieder mit dem Mosdva in Verbindung setzte. Tojolt-HI bereitete ihm nun schon seit einer ganzen Weile Kopfzerbrechen. Es war nicht die Sorge über das, was sie möglicherweise erwartete, wurde ihm bewußt, sondern die schiere Größe der Scheibenstadt. Er war beeindruckt gewesen und hatte über Tojolt-HI gestaunt, seit die Sensoren ihr erstes Bild von dem künstlichen Gebilde geliefert hatten. Doch das hier ging noch einen Schritt weiter, weil die kurze Reise sie über die Scheibenstadt geführt und ihm eine neue Perspektive eröffnet hatte. Die Lady Macbeth flog über die Scheibenstadt, einen Artefakt, der so dicht besiedelt war, daß eine Arkologie dagegen nahezu leer scheinen mußte. Die BiTek-Habitate der Menschen waren phantastische Wesen, aber man überquerte sie nicht an Bord eines Raumschiffes. Jedenfalls nicht viele Minuten lang. Und sie hatten nicht einmal die Hälfte der Entfernung bis zum Zentrum hinter sich.
Die visuellen Sensoren zeigten einen winzigen schwarzen Fleck über dem glänzenden Funkeln und Glitzern des Glases und der Folie, aus der die Sonnenseite bestand. Das war der Schatten der Lady Macbeth, kleiner als der Durchmesser der meisten Geflechtröhren. Viele Male hatte Joshua Ganymeds Schatten über die Tagseite des Jupiter fallen sehen, einen schwarzen Klecks, der kleiner war als die gigantischen Sturmwirbel des Planeten. Ein Mond, groß genug, um als Planet durchzugehen, der vor dem Hintergrund des grandiosen Gasriesen zu seiner wahren Bedeutungslosigkeit reduziert wurde. Das hier war genau das gleiche.
»Wir treffen in ein paar Minuten bei den von Ihnen bezeichneten Koordinaten ein«, sagte Joshua zu Quantook-LOU. »Ich würde gerne mit Ihnen über die Einzelheiten unseres Datenaustauschs sprechen. Ich schätze, keiner von uns beiden möchte, daß unser Handel jetzt noch platzt.«
»Ich stimme Ihnen zu«, sagte Quantook-LOU. »Ich werde meine Eskorte in diese Sektion von Tojolt-HI führen und die Informationen sichern, die Sie
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