Armageddon 06 - Der nackte Gott
bedeutete den Neuankömmlingen mit einer Geste, sich zu ihr zu setzen. Sie schienen alle nervös, weil sie nicht wußten, was für einen Empfang man ihnen bereiten würde.
»Ihr Jungs hattet wohl die Schnauze voll, wie?« fragte Cochrane.
»Bewundernswert treffend ausgedrückt«, räumte Devlin ein. Er verwandelte einen Schlafsack in eine Decke mit Tartanmuster und ließ sich darauf nieder. »Sie ist vollkommen übergeschnappt. Eine Verrückte mit Macht. Ich kenne das, habe es oft genug gesehen damals im Großen Krieg. Jedes Anzeichen von Meinungsverschiedenheit wird als Meuterei bewertet. Ich schätze, sie wird uns eigenhändig erschießen, wenn sie uns jemals wieder in die Finger kriegt. Und das meine ich ernst.«
»Also seid ihr desertiert.«
»Ich bin so sicher wie die Hölle, daß die Eklund es genau so sieht, ja.«
»Wir glauben, daß wir ihre Streitkräfte auf Distanz halten können«, sagte Sinon.
»Ich bin wirklich froh, das zu hören, alter Freund. Die Dinge werden ständig schlimmer dort hinten. Die Eklund und Hoi Son bereiten sich immer noch auf einen Konflikt vor. Sie hat die Macht, verstehen Sie? Jetzt, da es kein Jenseits mehr gibt, in das die Seelen fliehen können, ist die Drohung mit disziplinarischen Maßnahmen verdammt effektiv. Außerdem ist sie diejenige, die entscheidet, wer zu essen bekommt und wer nicht. Eine verdammte Bande von Irren glaubt immer noch an das, was sie tut, und mehr braucht es nicht. Mehr braucht es niemals, einen Führer und eine Bande von Loyalisten, welche die Ordnung erzwingen. Es ist so verdammt dumm.«
»Was glaubt sie denn, was geschehen wird?« fragte Stephanie.
»Da bin ich ein wenig überfragt. Ich glaube, das weiß sie selbst nicht so genau. Hoi Son schwafelt ununterbrochen davon, wie sehr wir doch eins sind mit dem Land und wie die Serjeants unsere Harmonie zerstören. Sie peitschen jeden anderen auf. Versuchen, die armen Schlucker dort drüben zu überzeugen, daß alles wunderbar wird, sobald die Serjeants erst über die Klippe gesprungen sind … oder geworfen, was das betrifft. Absoluter Unsinn. Jeder Idiot kann sehen, daß dieser Felsen für uns nicht den leisesten Nutzen hat, ganz gleich, wer darauf ist und wer nicht.«
»Nur jemand wie Annette kann denken, daß diese Insel wert ist, darum zu kämpfen«, sagte Stephanie.
»Ganz meine Meinung«, sagte Devlin. »Der allerletzte Schwachsinn. Das kenne ich von früher. Die Menschen werden besessen von einer Idee und können nicht mehr loslassen. Es ist ihnen egal, wie viele dabei sterben. Nun, ich jedenfalls werde ihr nicht dabei helfen. Ich habe diesen Fehler schon einmal begangen. Niemals wieder.«
»Yo, Mann, willkommen im Land der Vernunft.« Cochrane streckte ihm einen silbernen Flachmann hin.
Devlin nahm einen kleinen Schluck und grinste anerkennend. »Nicht schlecht.« Er nahm einen weiteren, diesmal größeren Schluck und reichte die Flasche zurück. »Nach was genau sucht ihr eigentlich hier draußen?«
»Das wissen wir selbst nicht so genau«, antwortete Sinon. »Aber wir werden es in dem Augenblick wissen, in dem wir es sehen.«
Nach dem Frühstück an jenem Morgen verbrachte Jay zwanzig Minuten damit, ihren Universalversorger zu korrigieren und zu geißeln. Immer wieder mußte er das Kleid absorbieren und ein neues für sie ausstoßen. Die Variationen waren geringfügig, aber Jay war entschlossen, nicht aufzugeben, bevor jedes Detail stimmte. Tracy hatte sich das Spiel die ersten fünf Minuten angesehen, dann war sie aufgestanden, hatte Jay die Schulter getätschelt und gesagt: »Ich denke, ich lasse euch beide jetzt allein, Kleine.«
Das Design, das Jay wollte, war wirklich nicht besonders raffiniert. Sie hatte es irgendwann auf der Erde in der Arkologie gesehen, ein locker fallendes, gefältetes rötliches Kleid, das bis hinunter zu den Knien reichte und oben in einem rechteckig ausgeschnittenen Hals in leuchtendem Kanariengelb endete, und die beiden Farben waren ineinander verzahnt wie gegensätzliche Flammen. Es hatte damals, vor zwei Jahren, an dem Mannequin im Laden einfach wundervoll ausgesehen, teuer und attraktiv zugleich. Aber als Jay ihre Mutter gefragt hatte, war die Antwort nein gewesen. Sie konnten es sich nicht leisten. Hinterher war dieses Kleid zu einem Symbol geworden für alles, was auf der Erde falsch war. Jay hatte immer gewußt, was sie in ihrem Leben wollte, aber sie hatte es nie geschafft, es auch zu bekommen.
Tracy klopfte an die Schlafzimmertür. »Haile
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