Armageddon 06 - Der nackte Gott
mal ein wenig länger leben.«
»Wenn ich vielleicht die Frage stellen darf – warum glauben Sie überhaupt, daß Sie sterben?« erkundigte sich Sinon. »Sie alle haben angedeutet, daß genau das in dieser Sphäre geschieht.«
»Ich glaube, das ist wie mit der Gravitation«, sagte Stephanie. »Der Tod ist etwas so Fundamentales. Der Tod ist das, was wir am Ende unseres Lebens erwarten.«
»Sie meinen, Sie beenden Ihr Leben aus freien Stücken?«
»Nicht ganz, nein. Frei zu sein vom Jenseits war nur ein Teil dessen, was wir uns ersehnt haben. Diese Sphäre hier sollte ein Paradies sein. Das wäre sie vermutlich auch, befänden wir uns auf einem Planeten. Wir wollten hierher kommen und ewig leben, genau wie es die Legenden vom Himmel erzählen. Und wenn schon nicht ewig, dann doch zumindest Tausende von Jahren. Ein anständiges Leben, wie wir es uns immer ersehnt haben. Und ein Leben, das mit dem Tod endet.«
»Im Himmel würde der Tod nicht in das Jenseits zurückführen«, sagte Choma.
»Exakt. Dieses Leben hier sollte besser sein als das vorherige. Unsere energistischen Kräfte verleihen uns die Macht, all unsere Träume zu verwirklichen. Wir benötigen keine Fabriken und kein Geld. Wir können herstellen, was immer wir wollen, indem wir es uns einfach wünschen. Wenn das die Menschen nicht glücklich macht, dann sind sie durch gar nichts glücklich zu machen.«
»Sie würden niemals das Gefühl kennen, etwas erreicht zu haben«, sagte Sinon. »Es gäbe keine Grenzen, an denen Sie wachsen könnten. Elektrizität ist praktisch nicht existent, was bedeutet, daß Sie niemals über das Niveau von Dampfmaschinen hinauskämen. Sie rechnen damit, einen guten Teil der Ewigkeit zu leben. Und niemand kann jemals weggehen. Verzeihen Sie mir, aber in meinen Augen ist das nicht gerade das Paradies.«
»Immer nur das Negative«, murmelte Cochrane.
»Da könnten Sie recht haben. Aber selbst ein Gefängnisplanet, der im achtzehnten Jahrhundert feststeckt, gefolgt von einem richtigen und endgültigen Tod, ist besser als das Jenseits«, entgegnete Stephanie.
»Dann sollten Sie ihre energistischen Kräfte vielleicht besser auf die Lösung des Problems verwenden, daß immer wieder menschliche Seelen im Jenseits stecken bleiben«, schlug Sinon vor.
»Schöne Worte«, sagte Moyo. »Und wie sollten wir das anstellen?«
»Das weiß ich nicht. Aber wenn mehr von Ihnen mit uns kooperieren würden, könnten sich ganz neue Möglichkeiten eröffnen.«
»Wir kooperieren doch.«
»Nicht hier. Daheim in unserem Universum, wo wir die wissenschaftlichen Ressourcen der Konföderation lenken könnten.«
»Sie haben doch gar keinen Versuch gemacht, mit uns zu kooperieren. Sie haben uns militärisch überfallen«, sagte Rana. »Und wir wissen, daß das Militär mehrere Besessene viviseziert hat. Wir konnten ihre gequälten Schreie durch das Jenseits hallen hören.«
»Hätten sie mit uns kooperiert, wären wir nicht gezwungen gewesen, Gewalt anzuwenden«, entgegnete Choma. »Außerdem haben wir niemanden viviseziert. Wir sind schließlich keine Barbaren. Glauben Sie wirklich, ich möchte meine Familie im Jenseits wissen? Wir wollen helfen, das diktiert allein schon unser eigenes Interesse, wenn sonst nichts anderes.«
»Also wieder eine ungenutzte Gelegenheit«, sagte Stephanie traurig. »Sie türmen sich zu Bergen in unserer Geschichte, nicht wahr?«
»Irgend jemand kommt aus der Stadt«, verkündete Choma. »Sie wandern auf unser Lager zu.«
Stephanie drehte sich automatisch um und blickte über die Schlammwüste hinter ihnen. Sie sah nicht die geringste Bewegung.
»Es sind nur fünf Leute«, sagte Choma. »Sie scheinen keine feindseligen Absichten zu hegen.« Der Serjeant versorgte die Besessenen weiterhin mit Informationen.
Ein Trupp war ausgesandt worden, um die Neuankömmlinge abzufangen, die behaupteten, der Eklund den Rücken kehren zu wollen. Sie waren desillusioniert über die Art und Weise, wie die Dinge in der zerstörten Stadt liefen. Die Serjeants dirigierten alle zu dem Horchposten am Rand des Felsens.
Stephanie beobachtete ihre Annäherung. Sie war nicht überrascht, als sie Devlin in der Gruppe entdeckte. Er war in seine Uniform eines Offiziers aus dem neunzehnten Jahrhundert gekleidet, dicke Wolle mit reichlich Purpur, Gold und imperialen Kordeln.
»Phallozentrische Militaria.« Rana rümpfte verächtlich die Nase und wandte sich demonstrativ ab, um in das Nichts jenseits des Abgrunds zu starren.
Stephanie
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