Armageddon 06 - Der nackte Gott
Kingsley Pryor fand ihre Bedeutung niemals heraus, denn sein Besucher verblaßte so schnell, wie er gekommen war.
Kingsley stieß ein irres Kichern aus. Menschen (oder Xenos, vielleicht sogar Engel) beobachteten die menschliche Rasse, und sie waren gut in ihrer Arbeit. Es gehörte nicht viel Mühe dazu herauszufinden, was in der Konföderation geschah – ein paar sorgfältig plazierte Scanner konnten die entsprechenden Datavis-Übermittlungen auffangen; der KNIS und die übrigen Geheimdienste taten es aus Routine. Doch Beobachter in die von Besessenen beherrschten Bevölkerungen einzuschleusen war eine Leistung, die weit über alles hinausging, wozu ein gewöhnlicher Geheimdienst imstande war. Diese Fähigkeit allein war angsteinflößend. Und trotzdem verspürte Kingsley ein klein wenig Erleichterung. Wer auch immer sie waren, sie sorgten sich um die Menschen. Sorgten sich genug, um einzugreifen. Nicht viel, gerade so, daß es reichte.
Sie wußten von den Zerstörungen, die er verursachen würde. Und sie hatten ihm eine Entschuldigung geliefert, es nicht zu tun.
Kingsley blickte geradewegs in den Kabinensensor. »Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid. Ich war schwach, daß ich mich so weit habe treiben lassen. Ich mache der Sache ein Ende. Jetzt.« Er sandte einen Datavis-Befehl an den Bordrechner.
Auf der Brücke zuckte André zusammen, als im Innern seines Schädels rote neurale Symbole warnend aufflammten. Eines nach dem anderen wurden die Hauptsysteme des Schiffs seiner Kontrolle entzogen.
»Duchamp, was machen Sie da?« fragte das strategische Verteidigungskommando an. »Geben Sie uns augenblicklich wieder Zugriff auf Ihren Bordrechner, oder wir eröffnen das Feuer!«
»Ich kann nicht!« kreischte der zu Tode erschrockene Kommandant zurück. »Die Autorisierungskodes sind plötzlich ungültig geworden! Madeleine! Kannst du den Rechner übernehmen?«
»Keine Chance, Boß. Irgend jemand installiert soeben durch das Operationsmanagementprogramm seine eigenen Kontrollroutinen.«
»Bitte nicht schießen!« flehte André. »Es liegt nicht an uns!«
»Es muß jemand sein, der unbeschränkten Zugriff auf das Operationsmanagement besitzt. Das ist einzig und allein Ihre Besatzung, Duchamp.«
André warf Madeleine, Desmond und Shane einen ängstlichen Blick zu. »Aber wir sind … merde! Pryor! Das ist Pryor! Er steckt dahinter! Er war schließlich auch derjenige, der unbedingt hierher kommen wollte!«
»Die Maschinen werden heruntergefahren!« rief Desmond. »Der Fusionsantrieb ist aus. Das Plasma in den Tokamaks kühlt sich ab. Verdammt, er hat die Notventile geöffnet! Alle! Was hat er vor?«
»Geht runter und haltet ihn auf. Setzt Waffengewalt ein, wenn es sein muß«, rief André zurück. »Wir kooperieren!« sandte er per Datavis an das strategische Verteidigungskommando. »Wir bringen das Schiff wieder unter Kontrolle. Geben Sie uns ein paar Minuten.«
»Boß!« Shane deutete auf den Boden. Die Schleuse im Deck glitt zu. Orangefarbenes Blinklicht zuckte blendend hell im Rhythmus zu einem ohrenbetäubenden Alarmschrillen über die Brücke.
»Mon Dieu, non!«
Die Sensoren übermittelten der Offizierin vom Dienst ein absolut klares Bild von der Villeneuve’s Revenge. Das Schiff hatte bereits einen großen Teil seiner überschüssigen Geschwindigkeit abgebaut, als der Notfall begann. Es befand sich weniger als zweihundert Kilometer von Trafalgars nicht-rotierendem Raumhafen entfernt, was ein Grund für äußerste Besorgnis war. Die offensichtliche Bestürzung der Besatzung konnte durchaus ein gerissenes Ablenkungsmanöver sein. Eine Salve von Kombatwespen, die aus dieser Nähe auf den Asteroiden abgefeuert wurde, konnte unmöglich zu einhundert Prozent abgefangen werden.
Wäre es nur um Duchamp und die Besatzung der Villeneuve’s Revenge gegangen, hätte sie das Raumschiff an Ort und Stelle verdampft. Doch Pryors Handlungsweise und sein rätselhaftes Statement direkt in die Aufnahmeoptik des Kabinensensors hinein, bevor dieser sich abgeschaltet hatte, ließen sie zögern. Sie war sicher, daß Pryor hinter alledem steckte, und die einzige Kontrolle, die Trafalgar noch über das Schiff besaß, war die Feuerleitzentrale für die Kombatwespen. Pryor schien das Verteidigungskommando beruhigen zu wollen. Keine einzige der tödlichen Drohnen war scharf gemacht worden.
»Behalten Sie das Schiff unter allen Umständen im Visier«, befahl sie ihren Kollegen in der Kommandozentrale. »Und sagen Sie den
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