Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt
Wirklichkeit stand die Nasa 1969 viel stärker unter Staatsaufsicht als Fannie Mae und Freddie Mac um 2007. (Abgesehen davon, dass ihre Mitarbeiter gewerkschaftlich organisiert waren.) Während es auf dem Mond finanziell nichts zu holen gab, waren bei Fannie und Freddie vielfältige Gewinninteressen im Spiel. Wirtschaftswissenschaftler kamen bei näherer Betrachtung der beiden Hypothekeninstitute zu dem Schluss, dass ihr Scheitern weniger mit ihrer Staatsnähe als damit zu tun hatte, dass ihre Manager versuchten, Profite und Boni wie im Privatsektor zu erwirtschaften. »Fannie und Freddie machten solch horrende Verluste, weil sie als private Einrichtungen von Beamten geleitet wurden, denen eine ›sichere Kiste‹ anvertraut war«, schreibt Bill Black, Professor an der University of Missouri in Kansas City in seiner
Bezinga-Kolumne
vom 10. Januar 2011 – »großer Vermögenszuwachs durch die Buchung hoher Erträge in naher Zukunft ohne Aufbau vernünftiger Verlustreserven«.
∗ Kapitel 11 des
Financial Crisis Inquiry Report
vergleicht die von Fannie Mae und Freddie Mac vergebenen Kredite mit solchen von Privatinstituten. Es kommt zu dem Schluss, dass die Kredite von Fannie und Freddie weit weniger riskant waren und Zahlungsverzug viel seltener war als bei Privatinstituten. Der Grund dafür ist, dass Fannie und Freddie bei all ihren Fehlern höhere Standards an die Kreditwürdigkeit anlegten als ihre privaten Konkurrenten. Siehe hierzu insbesondere die Grafik auf S. 218 des
FCIR
. (Der Vollständigkeit halber: Meine Frau, Wendy Edelberg, hat sowohl für die Financial Crisis Inquiry Commission als auch für den Council of Economic Advisers gearbeitet, dessen früheren Vorsitzenden ich weiter unten zitiere.)
∗ Die »Marktteilnehmer« verstanden sehr wohl, dass die riskanten Kredite, die sie während der Immobilienblase gewährten, ihre Unternehmen in den Bankrott führen konnten. Das Management schuf eigens Anreize, um die »Teilnehmer« zu ermutigen, die Kredite trotzdem zu gewähren. Einzelpersonen maximierten so ihren Eigennutz, auch wenn ihre Unternehmen dabei draufgingen.
KAPITEL 5
KONSERVATIVE GESCHÄFTSTÜCHTIGKEIT
Eine Handvoll der führenden konservativen Washingtoner Gruppierungen ergriff die Gelegenheit von Santellis Tirade beim Schopf, um die erste Protestkundgebung der Tea Party zu organisieren; weitere schlossen sich rasch an. Einige können mit Fug und Recht für sich in Anspruch nehmen, von Anfang an dabei gewesen zu sein, so etwa Grover Norquist mit seiner Interessenvertretung
Americans for Tax Reform
und natürlich Newt Gingrich, was immer er auch zu dieser Zeit leitete. Auch Lobbygruppen, die die Brüder Koch mit ihren Ölmilliarden finanzierten, beispielsweise
Americans for Prosperity
und
FreedomWorks
, sprangen rasch auf diesen Zug auf.
Nachdem die Tea Party an Fahrt gewonnen hatte, wollte die gesamte Rechte mit von der Partie sein. Fox News Channel präsentierte die frischgebackene Protestkampagne wie die neue Reality Show des Senders. Bei jeder Versammlung der Tea Party traf man Leute vom Cato Institute und von der Heritage Foundation. Ed Meese, Justizminister in der Regierung Reagan, rief das
Conservative Action Project
ins Leben, eine Plattform, in der die neuen Gruppierungen der Tea Party mit den Führern der Bewegung zusammenkommen konnten. Ihr »einziger bezahlter Mitarbeiter« war nach einem Artikel der
Washington Post vom
Februar 2010 Patrick Pizzella, ehemals Partner von Jack Abramoff. [∗] Und heute gibt es keinen glühenderenAnhänger der Tea Party als Richard Viguerie, in den Siebzigerjahren Pionier des Direktmarketing, der nun
ConservativeHQ
betrieb, eine rechtsorientierte Nachrichten-Website.
Weiter waren da ehemalige Amtsträger der Regierung Bush, so etwa John O’Hara, früher Arbeitsminister, der das erste Buch über die Tea Party veröffentlichte. Dazu gesellten sich Lobbyisten wie Dick Armey, früher bei der Anwaltskanzlei DLA Piper und nun der Kopf der von den Kochs finanzierten Interessenvereinigung
FreedomWorks
. Auch Politaktivisten waren dabei, die sich den freien Markt auf die Fahne geschrieben hatten, etwa Phil Kerpen von der Koch-gesponserten Lobbygruppierung
Americans for Prosperity
, die sich um für viele undurchsichtige Regularien des Wirtschaftslebens kümmert. Sie engagiert sich beispielsweise gegen Netzneutralität und Regulierungen für Kreditkarten. Kerpen rühmte in Essays aber auch den »wahren Populismus« der Tea Party und freut sich darüber,
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