Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt
Plünderern und Schmarotzern in den Rachen zu werfen. Wir entziehen einer Gesellschaft, die es nicht wert ist, einen solchen Beitrag zu erhalten, hiermit unsere Produktionskraft.
Ihr verurteilt uns, weil wir erfolgreich sein wollen, weil wir das größte menschliche Potenzial erstreben; und doch seid ihr daraufangewiesen, dass wir unseren Beitrag zu einer Gesellschaft leisten, die ihr auslaugt.
Habt ihr das nicht begriffen?
Atlas WIRD die Welt abwerfen!! [25]
Dass es 99 Prozent der Bevölkerung in einem Land, in dem nach Rands Vorstellung jeder sich selbst der Nächste ist, nicht gut gehen würde, diese Kleinigkeit scheint der erstarkenden Rechten zu entgehen. Sie sieht nicht, dass die einzigen Gewinner einer Kampagne, die Regierung kaputt zu machen, alles zu deregulieren, Steuern abzuschaffen und den Goldstandard wieder einzuführen, Menschen wie der Vorstandsvorsitzende der Kohlemine wären – oder dass die meisten von uns ein Schicksal wie das der Bergarbeiter erwarten würde, die unter gefährlichen Bedingungen für einen lausigen Lohn schuften und keinerlei Möglichkeit haben, sich dagegen aufzulehnen.
Wer glaubt, die libertäre Zukunft wäre ein Grund zur Freude, sollte noch einmal die berühmte Szene aus
Atlas wirft die Welt ab
lesen, in der Rand den Zusammenbruch einer Gesellschaft anhand eines katastrophalen Zugunglücks beschreibt. Rand bereitet die Katastrophe so vor, dass sie nicht auf das Konto der Eisenbahn geht, sondern auf die Arroganz eines einzelnen Fahrgasts zurückzuführen ist, eines mächtigen Politikers, der das Zugpersonal zwingt, in einen gefährlichen Tunnel einzufahren. [26]
Die Erzählerin führt den Leser durch die Abteile und erklärt den todgeweihten Opfern, warum er oder sie dieses Schicksal verdient hat. Der eine hat ein Darlehen der Regierung in Anspruch genommen, ein anderer mag keine Geschäftsleute, eine Dritte ist mit jemandem von einer staatlichen Aufsichtsbehörde verheiratet, eine Vierte denkt törichterweise, sie habe ein Recht, mit dem Zug zu fahren, obwohl ihr der Zug gar nicht gehört. Für jeden dieser Untermenschen lautet das Urteil auf Tod.
Was mich gegen Ayn Rand einnimmt, ist vor allem ihre unglaubliche Menschenverachtung. Aber die Vordenker unserer heutigen Rechten, glaube ich, reizt genau das besonders: aufrichtigesMitleid mit den Milliardären, kombiniert mit wirren Begründungen, warum alle anderen untergehen oder in den Staub getreten werden sollen. Endlich haben die Heulsusen dieser Welt ausgespielt, jubeln sie. Die Ersten werden die Ersten sein. Hilf dir selbst, so hilft dir Gott.
∗ Viele, wenn nicht die meisten Großprojekte jener Zeit entstanden im Rahmen der Arbeitsbeschaffungsprogramme der Regierung. Auch die Fotos, von denen Beck so schwärmte, wurden von Fotografen aufgenommen, die dazu eigens von der Farm Security Administration beauftragt worden waren. All das schuf die Generation der Weltwirtschaftskrise mithilfe von Becks Reizthema: massiven öffentlichen Ausgaben zur Ankurbelung der Wirtschaft.
∗ Einmal lässt Rand den Streikführer John Galt behaupten: »Es gibt nur
eine
Klasse von Menschen, die nie gestreikt hat.« Er meint damit die Kapitalisten – doch wie schon der Ökonom Thorstein Veblen 1921 ausführte, kommt der Kapitalismus in den meisten Industriezweigen nie ohne Sabotage und Täuschung aus. Würden Industrieanlagen ununterbrochen auf Hochtouren laufen, wären die Profitmargen zu gering, und Überproduktion würde bald in die Pleite führen. »Es scheint also«, schrieb Veblen, »dass der anhaltende Wohlstand Amerikas tagtäglich von einem ›bewussten Entzug von Effizienz‹ [so definiert die Dachorganisation Industrial Workers of the World den Begriff Streik] durch die Geschäftleute abhängig ist, welche die Industrieproduktion des Landes kontrollieren.« Die Wirtschaftsbosse befinden sich in gewissem Ausmaß
ständig
im Streik; wären sie es nicht, würden sie ihren eigenen Ruin heraufbeschwören. Rand:
Atlas wirft die Welt ab,
S. 831. Veblen:
The Engineers and the Price System,
nachgedruckt in
The Portable Veblen
(New York: Viking, 1948), S. 436.
KAPITEL 9
DER TRAUM VOM REINEN KAPITALISMUS
Eines sonnigen Morgens im August 2010 fuhr ich zur alten Carnegie-Bibliothek in Port Townsend, Washington, um an dem Projekt zu arbeiten, aus dem schließlich dieses Buch hervorging. Draußen im Lande war unterdes, einer viel zitierten Umfrage zufolge, eine Mehrheit der Amerikaner der Ansicht, Präsident Obama sei mit dem Begriff
Weitere Kostenlose Bücher