Armeen Der Nacht
den Tisch und stützte erneut den Kopf auf. »Waffen genügen mir die meiste Zeit, und die andere Zeit...« Der Stiefsohn beugte sich vor. »Seid Ihr gut im Kampf gegen Hexen? Ich habe einen Freund, den ich aus den Klauen einer Nekromantin befreien möchte ...«
Fackelhalter machte rasch ein Schutzzeichen vor seinem Gesicht. »Wir möchten Euch gern etwas zeigen, Nikodemus, genannt ...«
»Pssst!« warnte Niko mit übertriebener Vorsicht und blickte erst nach rechts, dann nach links, dann durch die ganze Stube, ehe er sich vorlehnte und wisperte: »Nennt mich nicht so. Nicht hier. Niemals! Ich bin nur auf Besuch hier. Ich kann nicht bleiben. Zuviel Magie. Tote Gefährten, die nicht tot sind. Sehr verwirrend ...«
»Das wissen wir«, beruhigte ihn der Priester, doch seine Augen wirkten finster. »Wir sind hier, um Euch zu helfen. Kommt mit uns ...«
»Mit Euch und wem noch?« wollte Niko wissen, doch zwei von Molins Begleitern hatten bereits die Arme unter seine Achselhöhlen gelegt.
Sie hoben den nur schwach protestierenden Streiter auf die Beine und führten ihn vor die Tür zu einer Kutsche mit elfenbeinfarbigen Vorhängen. Nach einiger Mühe hatten sie ihn soweit, daß er sich hineinheben ließ, und schlossen die Tür hinter ihm.
Niko, der nicht zum ersten Mal entführt wurde, erwartete, daß die Kutsche eiligst davon fuhr und daß man ihn an Händen und Füßen fesseln würde.
Aber er täuschte sich. Vor ihm, auf der gegenüberliegenden Bank, saßen zwei Kinder und zwischen ihnen eine verhärmte Frau, die vermutlich einmal schön gewesen war. Niko, der Frauen mochte, erinnerte sich vage an sie als Tempeltänzerin. Die beiden Kinder waren noch sehr klein, wohl kaum den Windeln entwachsen, doch eines, das blonde, setzte sich auf und klatschte in die Händchen.
In Nikos Ohr hörte sich dieses Klatschen wie der Donner des Gottes Vashanka an, und fast vermeinte er ein Blitzen zu sehen, wie das des Sturmgottes, das aus dem Kindesmund zu kommen schien, als der kleine Junge zu kichern begann.
Niko lehnte sich in die gegenüberliegende Ecke und sagte: »Was zum ...?«
Und obgleich das Kind wieder nichts weiter als ein Kind war, erschallte eine tiefe Stimme in Nikos Kopf. Sieh mich an, Günstling des Geheimnisvollen, und trage die Kunde zu deinem Führer, daß ich zurückgekehrt bin. Und daß ich vorhabe, alles zu nutzen, was du zu geben hast, ehe deine kleine Welt
dem Untergang geweiht ist. Das Kind, aus dessen Mund diese Worte nicht stammen konnten, sagte: »Sowdat? Hawo? Sein Fweunde? Fweunde? Machen gwoße Fahwt? Zum Wassewowt? Bawd? Will bawd hin!«
Niko, der plötzlich stocknüchtern war, blickte die Frau scharf an, dann nickte er höflich, was er bisher unterlassen hatte. »Seid Ihr die Mutter dieses Knaben? Die Tempeltänzerin — Seylalha, die Erste Gemahlin, die Vashankas Kind gebar?« Es war nicht wirklich eine Frage, und die Frau antwortete auch nicht.
Niko beugte sich zu den beiden Kindern vor. Das schwarzhaarige betrachtete ihn mit großen dunklen Augen. Das blonde lächelte bezaubernd. »Bawd?« fragte es erneut, obwohl es viel zu jung war, von etwas so Bedeutendem zu sprechen.
Er antwortete: »Ja, bald, Junge, wenn du würdig bist. Von reinem Herzen. Ehrenhaft. Das Leben liebst — alles Lebende. Es wird nicht leicht sein. Ich muß erst die Erlaubnis einholen. Und du mußt beherrschen, was — in dir ist. Denn wenn du das nicht kannst, werden sie dich nicht auf Bandara aufnehmen, auch mir zuliebe nicht.«
»Gut«, sagte das blonde Kind.
Beide waren noch Krabbelkinder, viel zu jung, und wenn Nikos Maat sich nicht täuschte und ein Gott eines als sein Gefäß erwählt hatte, viel zu gefährlich. Niko wandte sich an die Frau. »Sagt den Priestern, daß ich tun werde, was ich kann. Aber er muß vorher Selbstbeherrschung lernen. Kein Kind in seinem Alter verfügt darüber. Beide müssen erst vorbereitet werden.«
Niko öffnete die Tür der Kutsche und sprang hinaus in die kühle und glücklicherweise völlig normale Freistätter Nacht.
Normal, wenn man von der Anwesenheit Molin Fackelhalters und des kleinen Malers absah, den der Priester beim Kragen hielt. »Nikodemus, seht Euch das an«, forderte Molin ihn ohne Umschweife auf, als wäre Niko nunmehr sein Verbündeter, was er — soweit Katzenpfote mitzureden hatte — nicht war.
Aber das Bild des Malers — der protestierte, daß er ein Recht hatte, zu tun, was er wollte — war wirklich sehr seltsam: Es zeigte Niko, doch ebenso Tempus, der
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