Armeen Der Nacht
über seine Schulter blickte, und um sie beide legte ein dunkler Engel seine Flügel. Und dieser Engel sah Roxane nur allzu ähnlich.
»Laßt das Bild hier, Maler, und geht Eures Weges«, befahl Niko. Fackelhalter ließ den O-beinigen Maler bereits los, und er rannte davon, ohne zu fragen, ob er sein Kunstwerk zurückbekommen würde.
»Das ist mein Problem — dieses Bild. Vergeßt, daß Ihr es gesehen habt. Eure Sache ist, falls Ihr tun wollt, was der Gott will, diese Kinder so vorzubereiten, daß sie angemessen ausgebildet werden können — durch bandaranische Adepten.«
»Wie kommt Ihr darauf, daß ich ...«
»Fackelhalter, ist Euch denn nicht klar, was Ihr da habt? Größere Schwierigkeiten, als Freistatt verkraften kann! Kleinkinder — eines jedenfalls, in dem ein Gott steckt. Ein Sturmgott! Könnt Ihr Euch den Rest ausmalen?«
Fackelhalter murmelte, daß die Dinge schon zu weit gegangen seien.
Niko entgegnete: »Aber nicht weitergehen werden, sofern ich meinen Gefährten Randal — den Roxane gefangenhält, wie ich gehört habe — unbeschadet zurückbekomme. Dann werde ich zu Tempus hochreiten und ihn fragen, was er in der Sache mit dem Gottkind zu tun beabsichtigt, wenn er überhaupt etwas unternehmen will. Da habt Ihr Euch ja etwas Kluges einfallen lassen, dieser Stadt, die ohnehin schon tief genug im Schlamassel steckte, dieses Kind aufzuhalsen!«
Der Baumeister-Priester wand sich verlegen und verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. »Gegen die Hexe können wir Euch nicht helfen, Streiter — außer mit ganz normalen Hilfskräften.«
»Solange es Priester sind.« Niko begann Befehle zu erteilen, und Fackelhalter blieb nichts übrig, als sie auszuführen.
Am Morgen des kürzesten Tages im Jahr war Niko immer noch nicht zu Roxane zurückgekehrt.
Es war an der Zeit, ein Ende mit Randal zu machen, den sie so sehr verachtete — oder fast —, daß die Nichtachtung, mit der der Sterbliche ihr begegnete, den zu lieben sie sich herabgelassen hatte, etwas weniger schmerzte.
Wenn Hexen weinen könnten, hätte Roxane Bäche von Tränen aus Demütigung und unerwiderter Liebe vergossen.
Aber eine Hexe konnte Sterblicher wegen nicht weinen, und Roxane hatte sich von der Schwäche erholt, die sie während der Hexenkriege befallen hatte. Wenn Niko nicht zu ihr kam, würde sie dafür sorgen, daß er in der Hölle berüchtigt wurde für all die einsamen armen Seelen, die seiner Treulosigkeit und Wankelmütigkeit und Selbstsucht wegen dort gelandet waren.
Sie befahl gerade den Schlangen, ihr Kartenspiel zu beenden und den Magier zu holen, als Hufgeklapper aus ihrer Hofeinfahrt erklang. Zornig und ohne Hoffnung zog sie den Vorhang zurück. Es war ein freundlicher, klarer Wintertag mit blauem Himmel und Pferdeschwanzwolken. Sie konnte es kaum glauben, aber es war wahrhaftig Niko. Er saß auf einem mächtigen Rappen von der Art, die nur Askelon auf Meridian züchtete, und seine Rüstung blendete, als sie in Berührung mit ihrer Magie kam.
So mußte sie alle ihre Schutzzauber aufheben und hinausgehen, um ihn zu begrüßen. Randal blieb ohne Fesseln zurück, nur von den Schlangen bewacht.
Es war süßer, als sie sich hätte vorstellen können, während die Wut an ihr fraß — eine wahre Ekstase, allein ihn wiederzusehen.
Er hatte sich rasiert und strahlte über sein ganzes jungenhaftes Gesicht, als er auf sie zuritt. Dann glitt er auf Kavallerieart von seinem Pferd, versetzte ihm einen Klaps und sagte: »Lauf heim, Hengst, in deinen Stall.« Dann wandte er sich an sie: »Hier werde ich ihn sicher nicht brauchen.«
Hier. Dann hatte er also vor zu bleiben! Er verstand! Doch er hatte nichts von dem getan, wozu sie ihn aufgefordert hatte.
Deshalb fragte sie: »Was ist mit Janni? Was ist mit der Seele deines armen Gefährten? Wie kannst du sie bei Ischade lassen, dieser Hure der Finsternis? Wie kannst du ...«
»Wie kannst du Randal martern?« konterte Niko ruhig. Mit ausgestreckten, offenen Händen ging er Roxane einen Schritt entgegen. »Es fällt mir schwer, es zu tun. Könntest du ihn nicht — mir zuliebe - laufenlassen? Unbeschadet. Frei von deiner Magie. Frei von der geringsten Spur böswilligen Zaubers.«
Während er sprach, zog er sie sanft an sich, bis sie sich befreite, aus Angst vor den furchtbaren Verbrennungen, die seine Rüstung verursachen konnte. »Wenn du dich von diesem — Zeug trennst«, handelte sie mit ihm und bemühte sich, ihren Ärger zu unterdrücken. Er sollte es
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