Armegeddon Rock
stehen lassen, und sein Haar wurde immer wilder. Solange Sandy ihn kannte, hatte er nie den Bart gestutzt oder sich die Haare geschnitten. Schließlich wurde der Bart zu einem struppigen, rotbraunen Dickicht, das seine halbe Brust bedeckte, während seine Haare in allen Richtungen einen Fuß von seinem Kopf abstanden. Seine Stirnfransen hingen ihm über das Gesicht herab, und sein Backenbart kroch seine Wangen hinauf, so daß man dort kaum noch ein Gesicht sehen konnte, nur einen winzig kleinen Mund, der sanft lächelte, und zwei strahlend blaue Augen hinter einem zottigen Schleier.
Im April brachte Maggie ihm das Nähen bei, und er setzte sich hin und fertigte seinen Slum-Anzug an, indem er all seine Schlipse bis auf einen zu einem sonderbaren, verrückt zusammengestoppelten knielangen Poncho aus hundert verschiedenen Farben und Mustern vernähte. Er war sehr stolz darauf; er sagte, er hätte seine Krawatten, ein Symbol der Unterdrückung, genommen und zu einer leuchtenden und schreienden Fahne der Freiheit umgearbeitet. Gerade zu der Zeit, als Butcher Byrne in diesem Jahr seine schwindelerregenden Einkommenssteuern bezahlte, zog sein Sohn seinen unglaublichen Poncho an. Für den Rest seiner College-Laufbahn trug er ihn jeden Tag. Die einzelne Krawatte, die er sich aufgespart hatte – ein dünner, stahlblauer Schlips, auf den er mit der Hand die Worte »Souvenir aus Guam« gemalt hatte –, trug er lose um den Hals, die Enden abenteuerlich ungleichmäßig.
Im Mai kaufte er sich einen Block Haschisch von der Größe eines Ecksteins und gab jedem im Schlafsaal eine Probe davon umsonst. Das machte ihn wirklich populär. Im Juni erklärte er Butcher, daß er zum Sommer nicht nach Hause kommen würde. Er malte seine Corvette grün und lila an, schrieb »FUCK LBJ« auf die Kühlerhaube und startete mit Maggie in einen Sommer on the road.
Im Herbst kam er auf einem rot-weiß-blauen Motortrike zurück, und Maggie saß hinter ihm. Er hatte sich Blumen in den Bart geflochten und trug einen verwaschenen Filzhut auf dem Kopf. Von da an war er Slum, und zwar für immer. Immer noch ruhig und sanft, saß er mit Vorliebe in seinem Zimmer und aß endlose Tabletts kleiner Schoko-Nuß-Kuchen mit Haschisch, die er selbst backte. Er kaufte drei Kätzchen (Butcher sagte, Katzen seien »Schoßtiere für Schwule«) und nannte sie Scheiße, Pisse und Korruption. Er heuerte ein paar Burschen an, die seine Seminare besuchten und seine Tests schrieben. Er verbrannte alle seine Stiefel, und seine Füße wurden hart von Schwielen und schwarzverkrustet von Schmutz. Er lächelte viel und brüllte bei Showsendungen im Fernsehen vor Lachen und wurde fett von all den kleinen Schoko-Nuß-Kuchen, so daß sich sein Slum-Anzug um den Bauch spannte. Und so hatte er im Dezember des zweiten Collegejahres ausgesehen, als er Sandy mit nach Hause brachte, damit er Butcher kennenlernte. Der Ausdruck auf Butchers Gesicht, als sie auf Slums Motortrike die Auffahrt hinaufrauschten, war die streiterfüllte Woche fast wert gewesen.
»Ja?« fragte der Junge auf der Türschwelle. »Was kann ich für Sie tun?« Sandy merkte, daß er stumm dagestanden und ihn angestarrt hatte. Der Junge war etwa siebzehn oder achtzehn, in einem Hemd mit dem Krokodil darauf und maßgeschneiderten Jeans, und er sah dem Jeff Byrne von damals so ähnlich, daß es weh tat.
Aber es war natürlich nicht Slum; es war ein Bruder, der jüngste Bruder. »Ich bin Sandy Blair«, sagte er. »Ich war auf dem College ein guter Freund von deinem Bruder Jeff. Und du bist… Dave, richtig?«
»Doug«, korrigierte der Junge. »Ich kann mich nicht an Sie erinnern.«
»Du warst noch ziemlich klein, als wir uns das letztemal begegnet sind«, sagte Sandy. »Vielleicht vier oder fünf.« Er erinnerte sich an ein kleines Energiebündel mit lauter Stimme und einem Haufen Spielzeugwaffen. Doug, ja natürlich, der Name war Doug. Douglas McArthur Byrne. Er hatte eine riesengroße Wasserpistole in der Form einer Maschinenpistole besessen und hatte Sandy und Slum immer am liebsten in den Schritt getroffen, so daß es aussah, als ob sie sich in die Hosen gemacht hätten. »Ist dein Bruder da? Ich würde ihn gern sehen.«
»Jeff?« fragte der Junge unsicher.
»Ja. Er ist der einzige Byrne, den ich kenne.«
Doug sah verwirrt aus. »Also, ich weiß nicht.« Er runzelte die Stirn. »Na ja, ich denke, Sie sollten reinkommen.« Er ließ Sandy ein und führte ihn durch ein Foyer zu einem großen, unpersönlich
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