Armegeddon Rock
Politik und das Schreiben. Sandy machte den Fehler, seine literarischen Aspirationen zu erwähnen, und bekam zwei Tage lang Butcher Byrnes Kursus Für Berühmte Schriftsteller verabreicht. Im Zentrum des Kurses schien zu stehen, wie gut sich Butcher Byrnes Bücher verkauften und wieviel Tantiemen er kassierte. »Ich weine auf dem ganzen Weg zur Bank«, erklärte er Sandy acht-oder neunmal, womit er seine schlechten Kritiken abtat. Er sei einfach ein »Geschichtenerzähler«, sagte Butcher. Vergiß den ganzen Quatsch mit »Kunst«. »Ein Topf voll menschlicher Exkremente«, sagte er laut. Trotz der Tatsache, daß Butcher beschreiben konnte, wie menschliche Gehirne an einer Wand aussahen, nachdem sie von einer Gewehrkugel verspritzt worden waren, befand sich das Wort Scheiße nicht in seinem Vokabular und war in seinem Haus nicht zu hören.
In Anbetracht von Butchers Charakter und der Art seines häuslichen Lebens in dem, was Sandy prompt»Fort Byrne« tituliert hatte, war es keine Überraschung, daß Jefferson Davis’ Rebellion, als sie stattfand, ihn ganz bis zum Slumsein gebracht und zur Antithese von allem, wofür sein Vater stand, und zur Verkörperung von allem, was sein Vater verabscheute, gemacht hatte. Aber es war eine Überraschung, daß Slum nach all der Bitterkeit und der Ablehnung hierher nach Fort Byrne zurückgekommen sein sollte. Als Sandy zum letztenmal von ihm gehört hatte, war Slum vor dem Wehrdienst nach Kanada ins Exil gegangen, damals um 1973 oder so.
Die Hände tief in die Taschen geschoben, überquerte Sandy die Straße und ging die Auffahrt hinauf, wobei er ein wachsames Auge auf Dobermänner hatte und sich fragte, ob Butcher weich geworden war oder ob Slum sich irgendwie zu so etwas wie einem gespenstischen Echo seines Vaters verwandelt hatte. Die Dobermänner tauchten nicht auf. Vielleicht war es zu kalt für sie; in der Luft war eine klirrende Kälte, und die meisten Bäume waren jetzt kahl. Sandy erklomm an der Diener-Statue vorbei die Veranda und drückte auf die Klingel. Er rechnete halb damit, daß die Glocken Attacke! spielen würden. Ein rauhes Summen war alles, was er zu hören bekam.
Es gab keine Diener. Hatte nie welche gegeben. Butcher hätte sich mit Leichtigkeit Diener leisten können, aber er hatte ein tiefes Mißtrauen gegen das, was er »minderwertiges genetisches Material« nannte, und wollte so etwas nicht in seine Burg lassen. Der Junge, der Sandy die Tür aufmachte, hatte ein Gesicht, das Sandy aufschrecken ließ! Es hätte Jefferson Davis Byrne selbst sein können, so wie er an jenem ersten Tag ausgesehen hatte, als Sandy ihn hinter dem Steuer der roten Corvette gesehen hatte.
Sandy erinnerte sich sehr gut an jenen Jeff Byrne. Ein großer, magerer, hoch aufgeschossener Typ, nur Ellbogen und Knie und Unbeholfenheit, der dauernd gegen irgendwas stieß und es umwarf. Das Leben in Butchers Schatten hatte ihn still und ehrerbietig werden lassen, immer mit einer Entschuldigung auf den Lippen. Er war schüchtern und quälend unsicher, hatte einen Bürstenschnitt und trug hundert breite Krawatten und einen Haufen zweireihiger Sportjacken. Aus Angst vor schlechten Noten studierte er sehr hart, und aus Sorge, er könnte versäumen, einer guten Verbindung beizutreten, nahm er Rush Week – die Woche der Verbindungen – tödlich ernst.
Dann hatte ihn Maggie in die Finger bekommen, und die Veränderung hatte begonnen. Sie hatte sich mit Jeff getroffen, noch bevor sie angefangen hatte, mit Sandy zu gehen; genaugenommen waren sie einander durch sie begegnet, und ein oder zwei Jahre hatten sie es geschafft, sich ihre Zuwendung ohne Groll oder Eifersucht zu teilen. Aber Maggie hatte mehr getan, als Jeff Byrne die Jungfräulichkeit zu rauben; sie hatte ihm zum ersten Mal in seinem Leben etwas Selbstvertrauen gegeben und die Saat zu seiner Revolte gelegt. Einmal im Gange, hatte sich die Metamorphose lawinenartig entwickelt, und Jeff schien sich so schnell in Slum zu verwandeln wie Lon Chaney Jr. sich in den Wolfsmenschen verwandelte.
Im Oktober ging er in seinen ersten ausländischen Film und hinterher mit Maggie chinesisch essen (»Gook-Fraß«, wie Butcher es so reizend nannte). Im November hörte er sich einen radikalen Redner an und rauchte seine erste Marihuanazigarette. Im Dezember unterschrieb er eine Petition gegen den Krieg und nahm an einer studentischen Massenversammlung teil.
Bis Februar war er aus seiner Verbindung ausgetreten. Bis März hatte er sich einen Bart
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