Armegeddon Rock
kalten Raum voller Gewehrständer und Trophäenschränke. »Warten Sie hier«, sagte er. »Ich hole Jane.«
Sandy hatte keine Ahnung, wer Jane war. Vielleicht Slums Mutter, dachte er. Er war ihr natürlich begegnet – eine plumpe kleine Maus von einer Frau mit ausgeblichenem blonden Haar und verschreckten Augen –, aber soweit er sich erinnerte, war ihr Name »Mrs. Joseph William Byrne« oder manchmal nur »Mutter« gewesen.
Während er wartete, wanderte Sandy in dem Zimmer umher, das ihn ein bißchen an ein Museum oder eine Kriegsgedenkstätte erinnerte. Über dem Kamin war das Herzstück; ein langer, breiter Schiefermantel, ganz und gar mit Butchers Trophäen aus mindestens vierzig oder fünfzig Jahren bedeckt. Jagdtrophäen, Kriegsmedaillen auf schwarzem Filz, Ehrenspangen von verschiedenen Logen, Preise von Hundeschauen und nicht weniger als drei Auszeichnungen als »Vater des Jahres« von etwas namens die Patriotische Liga: 1954, 1957 und 1962. An der Wand über den Trophäen hingen Butchers Abschlußzeugnisse und ein großes Ölportrait des Mannes selbst, circa Zweiter Weltkrieg. Er trug die Spangen eines Hauptmanns, und im Gelände hinter ihm explodierten Bomben, während über ihm Messerschmitts dahinkreischten. Sandy fragte sich, wie viele Messerschmitts sie auf der Heeresbasis in Georgia gehabt hatten, wo Hauptmann Joseph William Byrne laut Slum alle seine Kriegsjahre in Wirklichkeit verbracht hatte.
Unter Butchers Trophäen waren keine literarischen Preise, aber die in die Wand gebauten Bücherschränke zu beiden Seiten des Kamins waren rammelvoll mit seinen Romanen, jeder von Hand in schwarzes Leder gebunden.
Woanders in dem Zimmer hatte jeder von Byrnes Söhnen sein eigenes Portrait und seinen Trophäenschrank. Joseph William Byrne Jr. der älteste Sohn, hatte fast so viele Trophäen gewonnen wie Dad. Sein Portrait zeigte einen Mann in den Vierzigern mit einem harten, zerfurchten Gesicht, der eine Uniform und Eichenlaub trug. Er war Berufsmilitär, erinnerte sich Sandy. Gegenüber war ein Schrank ganz in Schwarz, voll von persönlichen Habseligkeiten wie auch Preisen, einschließlich ein paar Uniformfetzen. Das Portrait war schwarz umrahmt und zeigte einen jungen Mann, der die Uniformmütze der Green Berets trug und in die Sonne blinzelte. Robert Lee Byrne war einer der ersten Amerikaner in Nam gewesen, und auch einer der ersten Gefallenen.
Dougs Trophäenschrank war voll von Baseball-und Basketball-Preisen. Der vierte Bruder, George Patton Byrne, war eher ein Footballspieler. Sein Portrait zeigte ihn im Grau der Militärakademie von West Point.
Slums Schrank war fast leer. Eine Reihe von Abzeichen der Ehrenliste, zwei kleine Schach-Siegespreise und sogar ein rührender Siegespokal aus Plastik für den 1. Platz in einem Dreibein-Wettrennen bei einem Picknick der Auslandskriegs-Veteranen 1957. Sein Portrait war offenbar nach einem Foto von der Schlußfeier an der High School gemalt worden.
Er starrte gerade darauf, als er Schritte hörte. »Hallo«, sagte eine Frauenstimme. »Sie müssen Mister Blair sein. Ich bin Jane Dennison.«
Sie war nicht Slums Mutter, soviel war klar. Sie war eine schlanke, energische, hübsche Frau von ungefähr fünfunddreißig, mit kurzem braunen Haar und bis zum Nagelfleisch geschnittenen Nägeln. Sie schüttelte Sandy vereinnahmend die Hand und führte ihn zu einem Stuhl. Dann setzte sie sich ihm gegenüber, schlug die Beine übereinander und sagte: »Was kann ich für Sie tun?«
»Tja, wenn ich das wüßte«, sagte Sandy. »Ich möchte Slum sehen. Jeff. Das habe ich Doug schon gesagt, und er ist losgegangen und hat Sie geholt.«
»Ich verstehe«, sagte sie. »Warum wollen Sie Jeff sehen?«
»Ohne besonderen Grund. Wir sind Freunde. Das geht zurück bis zum College. Ich war auf der Durchreise und dachte, ich könnte mal nachschauen, wie es ihm geht. Was ist hier das Problem? Und wer sind Sie? Eine Haushälterin, Jeffs Freundin, was?«
Sie preßte affektiert die Lippen zusammen. »Ich bin Jeffs Pflegerin«, erklärte sie. »Mister Blair, Sie behaupten, Jeffs Freund zu sein, aber Sie stehen offenbar seit einiger Zeit nicht mehr mit ihm in Verbindung. Darf ich fragen, wann Sie ihn zuletzt gesehen haben?«
»Das ist lange her«, gab Sandy zu. »Es war entweder ’72 oder ’73. Oben in Kanada.« Er erinnerte sich gut an den Besuch. Slum war zu diesem Zeitpunkt bereits seit fast zwei Jahren im Exil. Da er zu Beginn seines vorletzten Studienjahres sein Studium
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