Armegeddon Rock
angenommen hat, wie Sie ihn nennen. Es wäre viel besser für ihn, nicht an diese Jahre erinnert zu werden.«
»Das waren die glücklichsten Jahre seines Lebens«, sagte Sandy. »Für mich ergibt das keinen Sinn. Ich will Slum sehen.«
»Die Tatsache, daß Sie ihn fortwährend bei seinem Spitznamen nennen, zeigt mir, daß man es nicht wagen kann, Sie mit ihm sprechen zu lassen«, sagte sie steif. »Wenn Sie wirklich sein Freund wären, würden Sie das verstehen.«
»Ich glaube nicht, daß Sie wissen, wovon Sie reden.«
Jane Dennison stellte ihre Beine wieder gerade und stand auf. »Ich habe nicht die Absicht, hier zu sitzen und einem Laien zuzuhören, wie er meine professionelle Kompetenz in Frage stellt. Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht gestatten, Jeff zu sehen. Doug wird Sie hinausbringen, oder vielleicht finden Sie den Weg allein?«
Sandy stand auf und sah ihr finster ins Gesicht. »Ja«, sagte er, »ich finde den Weg, aber ich habe ganz gewiß nicht die Absicht dazu. Nicht bis ich Slum sehe, oder Jeff oder wie immer Sie ihn nennen wollen, verdammte Scheiße.«
»Das haben nicht Sie zu entscheiden, Mister Blair, sondern ich, und ich versichere Ihnen, daß Sie meine Meinung mit vulgären Ausdrücken nicht ändern werden. Muß ich Sie hinauswerfen lassen?«
»Ja, das müssen Sie wohl«, sagte Sandy scharf. Er ging mit steifen Beinen schnell an ihr vorbei ins Foyer hinaus und schaute sich um, als er hörte, wie sie ihm nacheilte. Oben, dachte er. Die Schlafzimmer waren oben, und dort würde er Slum finden. Er stürzte zu der weit geschwungenen Treppe und sprang die Stufen hinauf, immer zwei zugleich. Unten hörte er Jane Dennison laut nach Doug rufen.
»SLUM!« rief er, während er durch den Korridor lief und im Vorbeigehen Türen öffnete. Der dicke Teppich verschluckte seine Stimme, und er mußte lauter rufen. »SLUM! Wo steckst du, verflucht? SLUM!«
Ganz am Ende des Flurs ging eine Tür auf. Ein hochgewachsener, ausgemergelter Mann in Tenniskleidung stand dort und blinzelte. Er war bartlos und kurzgeschoren und sah älter aus, als er war. »Sandy?« sagte er erstaunt. »Bist du’s wirklich, Sandy?« Auf seinem langen und hohlwangigen Gesicht erschien ein zittriges Lächeln. »Sandy!« Er strahlte.
Sandy machte zwei schnelle Schritte, blieb stehen und stolperte beinahe. Slums äußere Erscheinung traf ihn wie ein körperlicher Schlag. Der Ernst in seinem Gesicht. Der ermattete, wäßrige Ausdruck seiner Augen. Allein schon, wie hager er war. Und seine Kleidung. Tenniskleidung. Weiße Kleidung. So ganz und gar weiß. Der Traum, dachte Sandy mit einem Schauer plötzlicher, irrationaler Angst. Aber dann kam Slum auf ihn zu und umarmte ihn heftig, und der Moment ging vorbei, als Sandy sich dabei ertappte, wie er ihn ebenfalls umarmte, so fest es ging.
»Du siehst…«, setzte Sandy an. Er wollte sagen: »gut aus«, aber er merkte, daß er die Lüge nicht über sich bringen konnte. »… äh… anders aus«, schloß er.
Slum lächelte vorsichtig. »Das weiß ich, Sandy«, sagte er. »Komm.« Er führte ihn durch den Flur zu einem großen, von Licht erfüllten Schlafzimmer und ließ sich im Lotossitz auf dem Boden nieder, während Sandy sich in einen Sessel setzte. »Wie bist du an Butcher vorbeigekommen?« fragte Slum.
»Ich hab Butcher nicht gesehen. Nur deinen Bruder Doug und einen Drachen, der sich Jane Dennison nennt. Sie wollte nicht, daß ich dich sehe. Ich hab mich an ihr vorbeigedrängt und bin trotzdem raufgekommen.«
»Dann machen wir lieber schnell mit dem Reden. Dennison ruft Butcher wahrscheinlich gerade an. Er muß in seinem Club sein, oder er ist essen gegangen. Sonst hätte er die Hunde auf dich losgelassen.« Wieder dieses rasche, zittrige Lächeln, ein Lächeln voller Angst, als wüßte Slum, daß er über die falschen Sachen lächelte und binnen kurzem dafür bestraft werden würde. »Aber er wird schnell zurückkommen, wenn er von ihr hört, und dann wirft er dich mit einem Tritt in den Hintern raus.«
»Was soll das? Du darfst keinen Besuch bekommen? Hast du nichts dazu zu sagen?«
»Nein«, sagte Slum.
Sandy machte ein finsteres Gesicht. »Sie sagt, du bist verrückt. Chronische Depression. Psychotische Gewalttätigkeit. Ist das wahr? Willst du mir weismachen, daß du übergeschnappt bist, Slum?«
Slum sah auf seine dünnen, knochigen Hände hinab und kicherte. »Verrückt«, sagte er. »Das bin ich wohl.« Er kicherte wieder. Sandy gefiel dieses Kichern kein bißchen. »Ich
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