Armegeddon Rock
oder Maggie oder Froggy auftauchen würdet. Ich wäre sogar froh gewesen, Lark zu sehen, auch wenn er mich einen Dummarsch genannt hätte. Warum ist keiner von euch gekommen?« Seine Stimme wurde zum Schluß schrill.
»Weil wir nichts davon wußten«, sagte Sandy. »Hätten wir Gedanken lesen sollen, oder was? Bis vor ein paar Wochen dachte ich, du wärst noch in Kanada. Warum hast du nicht geschrieben, als du in Schwierigkeiten gekommen bist?«
Slum machte große Augen. Sein Mund öffnete sich tonlos und schloß sich wieder. Dann warf er den Kopf zurück und lachte. »Oh, oh, oh, oh«, sagte er mit einer hohen, hysterischen Stimme. »Oh, oh, das ist komisch, oh, so komisch, oh, oh.« Er wischte sich mit dem Handrücken Tränen von der Wange. »Sandy«, sagte er, »ich hab dir geschrieben, oh, drei–, viermal. Ich hab auch Bambi und Froggy geschrieben und sogar Lark. Ich hab Ted und Melody und Anne geschrieben, jedem, an den ich mich erinnern konnte. Ich hab Maggie ein halbes Jahr lang jede Woche geschrieben, bis ich’s schließlich aufgegeben habe.«
»Das kapier’ ich nicht«, sagte Sandy. »Ich hab nie irgendwelche Briefe bekommen, und ich bin sicher, die anderen auch nicht. Sie hätten angerufen. Sogar Lark.«
Slum lachte wieder. »Was für ein Witz!« sagte er. »Natürlich habt ihr keine Briefe bekommen. Butcher muß dafür gesorgt haben, daß sie abgefangen wurden. Bestimmt hat er jemand dafür bezahlt. Den Wärter, irgendwelche Wachen, vielleicht sogar jemand im Postamt, wer zum Teufel weiß das. Vielleicht sie alle. Butcher konnte sich das leisten. Er wollte nicht, daß ich mich mit euch in Verbindung setze. Mit keinem von euch. Ihr wart alle schlechter Einfluß. Ihr habt seinen Sohn in einen kommunistischen rauschgiftsüchtigen Schwulen verwandelt. Das wird er dir selber sagen, wenn er erst nach Hause kommt. Ich war bereits ein Feigling, das weiß er, aber ich war kein kommunistischer rauschgiftsüchtiger Schwuler, bis ich ans College gekommen und an euch üble Typen geraten bin. Oh, ich war so dumm. Ich bin unzurechnungsfähig. Ich hätte es wissen müssen. Ich bin nicht annähernd paranoid genug, noch nicht. Mit Butcher um dich rum kannst du nicht paranoid genug sein. Ich glaubte, was er mich glauben machen wollte, daß es euch einfach egal war, daß ihr überhaupt nie meine Freunde gewesen seid.« Er ballte seine Hände zu Fäusten. »Sandy, ich möchte diesen Mann umbringen. Mein Psychiater sagt, das ist sehr krank, aber ich will es. Ich wünschte, ich hätte den Mut, es zu tun. Wir haben hier genug Waffen. Schrotflinten, Gewehre, Pistolen. Unten im Keller hat er sogar eine Uzi und eine alte Panzerbüchse.« Slum ergriff ein imaginäres Maschinengewehr und durchsiebte das Zimmer mit unsichtbaren Kugeln. »Bumbumbumbum«, verkündete er laut. »Ihm richtig den verdammten Schädel wegblasen, genau wie in seinen Büchern. Auf seinen Sarg pissen. Und dann Miss Dennison vergewaltigen. Wenn ich ihn hochkriegen könnte. Ihn richtig in ihren Arsch schieben, da hat sie’s verdient.« Er kicherte. »Ich hab’s dir gesagt, Sandy, sie haben recht.«
Sandy erinnerte sich an einen hochgewachsenen, schlaksigen Studienanfänger, der dauernd alles umwarf und sich fortwährend entschuldigte. Er erinnerte sich an einen massigen, haarigen Studenten im zweiten Studienjahr, in einem Anzug aus hundert Farben, der lächelte, während er immer wieder »Atlantis« von Donovan hörte und aus Angst, das Kätzchen zu stören, das in seinem Schoß schlief, ganz still saß. Er erinnerte sich an einen im Exil Lebenden, bärtig und muskulös, der mit ruhiger Präzision Nägel einschlug. Ihm war zum Kotzen zumute.
Unten hörte er eine Tür schlagen, und eine mächtige, vertraute Stimme dröhnte: »Wo ist er?« Eine weibliche Stimme antwortete, schrill, aber zu leise, als daß Sandy die Worte verstehen konnte, und zwei Paar Schritte kamen die Treppe herauf.
»Jetzt bist du in Schwierigkeiten«, sagte Slum. »Er wird damit drohen, den Hund auf dich zu hetzen, und dann versprechen, dich selbst niederzuschießen. Wart’s ab, du wirst ja sehen. Butcher ist genauso leicht vorauszuberechnen wie seine Plots.«
Es dauerte nur einen Moment, bis Butcher Byrne im Türrahmen zum Zimmer seines Sohnes auftauchte, aber Sandy hatte Zeit, aufzustehen und seine Arme zu verschränken und seinen Zorn zu nähren. Joseph William Byrne war älter geworden. Sein hartes, ledriges Gesicht war von tiefen Falten und Stirnrunzeln durchfurcht, und das
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