Armegeddon Rock
und so’n Scheiß, nach da drüben raus.« Er stieß einen Finger Richtung Denver. »Und die Musik, Mann. Wird heute nacht ’ne geschlossene Sache. Keine schwachen Nummern, Baby, da kannst du einen drauf lassen.«
Das erregte Sandys Aufmerksamkeit. »Was? Was meinst du?«
Maggio grinste. »Noch nichts davon gehört, Mann? Der große Boß hat sich endlich den Dreck aus den Ohren gepult und auf mich gehört. Nichts von diesem neuen Mist mehr.«
»Und das ist nicht alles«, sagte Edan Morse. »Heute nacht werden die Nazgûl den Rag bringen. Stimmt’s, Rick?«
»Du hast’s erfaßt.« Er streckte den Arm aus. »Drück mir die Hand, Mann.«
»Ich… nein«, sagte Morse. Er hob seine Hände. Sie waren beide bandagiert.
»Scheiß drauf«, sagte Maggio. Er entdeckte Francie, drehte sich um und ließ sie stehen.
Sandy starrte Morse an. In den letzten zwei Wochen hatte er am Telefon häufig mit ihm gesprochen, aber jetzt sah er ihn seit Chicago zum erstenmal. Bis auf die Stimme hätte er ihn nie wiedererkannt. Morse sah verheerend aus. Die Augen waren ein einziges besessenes Glitzern, tief in die Höhlen gesunken in einem Gesicht, das nichts außer straff über vorspringende Knochen gespannte Haut war. Er trug ein helles Gazehemd aus Baumwolle, das den leichenhaften Zustand seines Körpers in keiner Weise verbarg. Sein Bart war wirr und struppig geworden, aber die Haare schienen ihm auszufallen. Um den Hals hatte er ein Dutzend schwerer Anhänger und Ketten, und ihr Gewicht schien fast zuviel für ihn zu sein. Morse beugte sich hinüber und küßte Ananda, lächelte verzerrt und nahm neben ihr Platz.
»Was zum Teufel ist mit Ihnen los?« platzte Sandy heraus.
»Nichts«, sagte Morse. »Es ist unter Kontrolle. Es ist alles unter Kontrolle.«
»Sie sehen aus, als sollten Sie eigentlich im Krankenhaus sein. Warum sind Sie überhaupt hier? Sie haben sich doch noch nie die Mühe gemacht, zu einem Konzert zu kommen.«
»Heute abend ist es was anderes«, sagte Morse.
»Wieso?« fragte Sandy. »Was ist…«
»Du wirst schon sehen«, sagte Morse. Seine Stimme war angespannt. Er beugte sich zu Ananda hinüber und sprach in leisem, vertraulichem Ton mit ihr.
So abgewiesen, stellte Sandy fest, daß sein Blick auf der leeren Bühne, den wartenden Instrumenten und Denver jenseits davon hing. Irgendwo da unten war Slum, dachte er, eingesperrt in einem Haus, das zu einem Gefängnis geworden war, eingesperrt im Käfig seiner eigenen Hoffnungslosigkeit. Er merkte, wie er phantasierte. Er sah sich die Bühne erklimmen und eine lange, flammende Rede ins offene Mikrofon halten, und sie kamen alle zusammen, um ihm zu folgen, alle dreißigtausend, sie jubelten und pfiffen und sangen, marschierten hinter ihm durch die Straßen zu Fort Byrne, überwältigten Butcher und seine Schußwaffen und seine Hunde. Slum kam heraus, um sich ihnen anzuschließen, und er veränderte sich mit jedem Schritt, den er tat. Sein Gesicht wurde voll, sein Haar wuchs, seine Kleidung löste sich auf und bildete sich neu und blühte in hundert leuchtenden Farben, und als er Sandy umarmte, war er wieder unversehrt und jung und stark.
Sandy schob den Traum beiseite und drückte den Zeitknopf an seiner Uhr. Eine Stunde bis zur Show, besagte die Anzeige.
Eineinhalb Stunden später hatten die Schatten des Spätnachmittags merklich länger zu werden begonnen, und das Amphitheater war zum Bersten voll und unruhig. Jemand fing an zu klatschen. »Wir woll’n die Show«, rief er. Andere nahmen die Losung auf. »Wir – woll’n – die SHOW, wir – woll’n – die SHOW, wir – woll’n – die SHOW.« Klatsch klatsch klatsch-KLATSCH. »Wir – woll’n – die SHOW!« Sie klatschten und skandierten zehn Minuten lang mit wachsender Lautstärke, bis Sandy erkannte, daß der Ruf auch jenseits der Sitzreihen aufgegriffen worden war, daß sie es auch im Park und die ganze Straße entlang skandierten.
Das Gestein ringsum war im Licht des Sonnenuntergangs von lebhaftem, leuchtendem Rot, und die ungeduldigen, skandierenden Gesichter waren ebenso rot. Die Lichter von Denver gingen allmählich an, und der Horizont weit weg im Osten war ein Band blauschwarzer Dunkelheit. »Wir – woll’n – die SHOW. Wir – woll’n – die SHOW. Wir – woll’n – die SHOW. Wir – woll’n – die SHOW.« Der Berg selbst schien im Rhythmus des Klatschens zu vibrieren.
Sie ließen es immer weitergehen, ließen es mindestens noch zwanzig Minuten andauern; es steigerte sich und
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