Armegeddon Rock
Schauspieler, der so oft dieselbe Rolle spielt, daß er ausrastet und zu glauben beginnt, er sei die Figur, die er spielt. Das muß es sein. In Richmonds Körper stecken zwei Menschen – der Junge und dieser Pseudo-Hobbins. Auf der Bühne bringt’s der Junge nicht, also übernimmt Hobbins.«
»Plausibel«, sagte Sandy. »Glaub es, wenn du willst. Du und ich, wir wissen beide, daß es nicht so ist.«
»Und was ist die Alternative?« fauchte Faxon. »Besessenheit? Besessenheit von jenseits des Grabes?«
Sandy fühlte sich plötzlich sehr müde. Das Bier schmeckte ihm sauer im Mund. Er nickte erschöpft.
»Unmöglich«, sagte Faxon. »Das glaube ich einfach nicht.«
»Du kannst es nicht glauben«, sagte Sandy.
»Wieso?«
»Weil du ein anständiger Kerl bist, Peter, und wenn du es glauben würdest, müßtest du dem ein Ende machen, nicht? Du hast es in Chicago gesagt, hinter der Bühne, als es zum erstenmal passiert ist – du willst doch nicht, daß es aufhört. Oder doch?«
Peter Faxon wandte stirnrunzelnd den Blick ab.
»Oder doch?« beharrte Sandy.
Faxons Kopf fuhr herum. »Nein«, sagte er mit verkniffenem Mund. »Nein.« Er schnitt eine Grimasse. »Jesus. Was rede ich da?«
»Die Wahrheit«, sagte Sandy. »Und das ist mehr, als du Richmond gesagt hast, oder? Wozu ihn anlügen? Wozu die falschen Beruhigungen? Außer du wolltest, daß es weitergeht.«
Faxon starrte jetzt zu Boden. In seinen Augen lag etwas Gehetztes, Erschrecktes. »Es ist nicht bloß der Sound, Sandy, nicht bloß die Musik. Es ist Pat. Er war… er war mein Bruder, mein bester Freund, eine andere Seite von mir selbst… manchmal hab ich ihn gehaßt, aber ich hab ihn auch geliebt. Wenn ich ihn da oben sehe, nur ein paar Fuß weit weg, dann zerreißt es mich. Ich will zu ihm hingehen, ihn in die Arme nehmen, mit ihm reden. Ich will, daß er zurückkommt. Ja. Aber er entschwindet. Jedesmal, wenn die Show vorbei ist, entschwindet er, und es ist wieder Richmond.« Er blickte auf und sah Sandy in die Augen. »Aber nicht nach West Mesa, stimmt’s? Das ist es, worauf wir alle zusteuern. Morse, du, ich. West Mesa und… und…«
»Der ›Armageddon Rag‹«, sagte Sandy leise.
Peter Faxon nickte. »Mach, daß du rauskommst, Blair«, sagte er. »Ich muß mal ’ne Zeit mit mir allein sein. Mach, daß du rauskommst, zum Teufel.«
Sandy stand auf und ging zur Tür. Er verstand ganz genau, was Faxon durchmachte. Aber als seine Hand auf dem Türgriff lag, hielt Faxon ihn auf. »Noch eine Frage.«
»Ja?« sagte Sandy.
»Ich weiß, warum ich dem kein Ende mache. Ich will Pat zurück. Kann sein, daß ich mich selbst verurteile, indem ich das sage, aber mir ist Pat mehr wert als ein Dutzend Larry Richmonds. Aber was ist mit dir, Blair? Warum machst du mit?«
Das war eine Frage, die so spät in der Nacht, so nahe der Schlußnummer schwer zu beantworten war. »Du bist nicht der einzige, der ein Gespenst liebt«, sagte Sandy.
Peter Faxon nickte und schaute weg, und Sandy ging hinaus. Aber draußen im Flur, als die Tür hinter ihm ins Schloß fiel, schienen seine Abschiedsworte über dem nahen Summen der Eismaschine und des Pepsiautomaten hohl widerzuhallen. Falsch, dachte Sandy dumpf, falsch, falsch, falsch. Denn schließlich waren seine Gespenster nicht tot, sondern nur verändert, und vielleicht tat es deshalb um so mehr weh, aber trotzdem machte es irgendwie einen Unterschied.
Zurück in seinem Zimmer weckte er Ananda aus dem Schlaf, und sie sah ihn an und lächelte und küßte ihn, und sie schliefen auf eine schnelle und gewalttätige Art miteinander, und aus ihrem Körper zog Sandy seine Beruhigung, und in ihren Armen fand er Trost.
Unterwegs war Ananda immer nah bei ihm, und durch ihre Nähe war es in Ordnung.
Unterwegs ist kein Platz für Zweifel.
24
Heard the singers playin’, how we cheered for more! /
The crowd had rushed together, tryin’ to keep warm
LANGE BEVOR DIE NAZGÛL Denver erreichten, waren die Menschenmassen da. Das Konzert war einen Monat vorher ausverkauft, aber das hielt sie nicht ab. Sie kamen in Campingwagen und Wohnwagen, in brandneuen Porsches und verwitterten alten Käfern, in Pick ups und kleinen Lieferwagen und hellgrünen Schulbussen. Sie kamen zu Hunderten und Tausenden und strömten in den Red Rocks Park im Vorgebirge westlich der Stadt, dicht bei den Bergen. Sie kampierten in den Bergen, in den Hügeln, im Amphitheater selbst, schliefen in ihren Fahrzeugen, in Schlafsäcken, in Yurten
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