Armegeddon Rock
nach draußen gerichtet. Er machte sich auf den Weg zum nächsten, demjenigen rechts von der Menge.
Es ging langsam voran. Die Dunkelheit brach jetzt schnell herein, und der Boden unter seinen Füßen war uneben und felsig. Überall waren Menschen, schoben ihn zuerst in diese, dann in jene Richtung. Er mußte sich durch sie hindurchkämpfen, wobei er den Kleidersack fest umklammerte und ihn manchmal wie ein Baby in Brusthöhe vor sich hertrug. Einmal drückte sich eine Frau an ihn, ein schlanker, hübscher Rotschopf mit leeren Augen. Sie hatte sich die Bluse um die Taille gebunden, und ihre kleinen Brüste streiften seine Brust. »Wülste bumsen?« fragte sie. Wortlos ließ er sie stehen. Später stieß er mit einem haarigen Mann in einer Art Jeansanzug zusammen, der mit Hakenkreuzen und Friedenszeichen verziert war, und der Mann funkelte ihn an und sagte: »Was zum Teufel soll das Geschiebe, Mann? Willst du’n Messer reinkriegen? Ich schneid’ dich auf, du Arschloch.« Dann war auch er fort, von den Gegenströmungen sich wiegender Körper weggeschwemmt.
Als Sandy hundert Yards von dem Turm entfernt war, ging das Bühnenlicht aus, und die Welt wurde still.
Man konnte spüren, wie die Stille sich in der Menge ausbreitete. Die Musik hörte auf, und das Tanzen ließ nach, und Gespräche brachen ab, immer weiter pflanzte es sich in Wellen nach draußen fort. »Ja«, hörte er eine Frau neben sich mit leiser, rauher Stimme flüstern. »Ja«, wie sie einen Liebhaber antreiben würde, der sie zum Höhepunkt ritt. »Ja, ja, ja.«
Flüchtig sah er eine huschende Bewegung auf der abgedunkelten Bühne. Das Sound-System gab ein pfeifendes Zischen von sich und sprach.
»DIES IST DIE STUNDE«, sagte es.
»DIE STUNDE!« brüllte das Publikum zurück, eine halbe Million Stimmen, die die Stille zerrissen. Meilenweit entfernt mußten Captain Mondragon und seine Männer den Klang gehört haben, wie eine ungeheure Flutwelle, die sich an den Bergen brach. Sandy hob das Fernglas gerade in dem Moment, als das rauchige rote Licht anging, nur Blut und Feuer, und da saß Gopher John Slozewski mit finsterer Miene auf seinem Thron zwischen diesen schwarz-roten Drums.
»DIES IST DER TAG!« röhrten die Lautsprecher.
»DER TAG!« antwortete die Menge, und ein zweiter Scheinwerfer ging an, ein ungesundes grünes Licht, voller Verfall, und da stand Rick Maggio und grinste höhnisch, und seine Finger schwebten über den Saiten seiner Gitarre.
»DIES IST DAS JAHR.«
»DAS JAHR!« kreischten sie, und ein tiefvioletter Spot ging an und zeigte die Silhouette von Peter Faxon und seinem Rickenbacker, machte ihn zu einem undeutlichen, zerschlagenen, ausdruckslosen Schatten. Er trug eine vertraute Jacke, eine weiße Lederjacke mit langen, wehenden Fransen, und in dem violetten Licht sahen die alten Blutflecken fast schwarz aus.
»DER…«
»NAZGUUUUUUUUUUL!!!« schrie die Menschenmenge, und alle Scheinwerfer flammten auf einmal auf, wischten über die Bühne hin und her, veränderten sich, tanzten, blinkten in einem wilden, hypnotischem, stroboskopartigen Rhythmus an und aus, der jede kleine Bewegung festhielt und erstarren ließ und verherrlichte und deutlich sichtbar herausarbeitete. Und Patrick Henry Hobbins kam in einem schwarzen Jeansanzug auf die Bühne, mit einer auf den Schritt genähten amerikanischen Fahne, die das Auge von Mordor dort hatte, wo die Sterne hätten sein sollen, und er hängte sich seine Gibson um und lachte das großspurigste Lachen der Welt und sagte: »Yeah! Na schön, ihr Arschgeigen, macht euch startklar. Jetzt gibt’s Rock, bis euch die Ohren bluten!« und sie schrien noch mehr, hießen ihn tobend willkommen, und Hobbins schlug auf seine Gitarre ein, und die Musik brauste aus den Verstärkern, wilder und von überwältigenderem Leben erfüllt als jeder andere Sound der Welt, und Hobbins’ Stimme schallte meilenweit.
Hey baby, what’s that in the skyyyyy?!
Ein Feuerwerk wölbte sich über ihnen, eine sich ausdehnende Flammenwand, während die Nazgûl »Napalm Love« sangen und das Publikum unten klatschte und jubelte. Sandy senkte das Fernglas. Er konnte die Wucht der Musik spüren. Sie jagte durch seinen Blutstrom, berührte ihn, schüttelte ihn. Er wollte mitmachen, sein Gewehr loslassen und in die Hände klatschen und mit der Menschenmasse um ihn her verschmelzen, es alles geschehen lassen. Aber er konnte nicht, er konnte nicht. Er biß sich auf die Lippe und schob sich weiter auf den Turm zu.
Es war
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