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Armegeddon Rock

Armegeddon Rock

Titel: Armegeddon Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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ihn beinahe fallen lassen. Schließlich hielt er inne, zog sich den Sweater aus und benutzte ihn, um sich den Kleidersack mit einer groben Schlinge auf den Rücken zu binden. Das war besser, aber selbst damit war er erst sechzig Fuß hoch, als die Nazgûl unter kakophonem Applaus, Gepfeife und Gebrüll in ihre Pause gingen. Das stetige, rhythmische Klatschen von Hunderttausenden von Händen war so laut, daß es den Lautsprecherturm vibrieren ließ, und es gab einen schrecklichen Augenblick, wo Sandy sicher war, daß die Resonanz im Begriff stand, das ganze Gebilde zusammenstürzen zu lassen. Aber dann reagierten die Nazgûl auf die Aufforderungen und kamen wieder heraus. Sandy hing an der Seite des Turms und sah zu. Hobbins nahm einen Schluck aus einer Taschenflasche, Maggio nahm eine Pille, und dann ging das Getöse wieder los, als sie den zweiten und letzten Set mit »Blood on the Sheets« eröffneten. Zu diesem Zeitpunkt war er nur zwanzig Fuß von der Spitze entfernt, und das schrille Pfeifen der Hochtöner so dicht bei ihm war ein ohrenzerfetzendes Soundmesser, das ihm Zahnschmerzen verursachte und ihn fast von seinem unsicheren Sitz herunterriß. Er fuhr zusammen und hielt sich schwankend und mit zusammengebissenen Zähnen fest. Dann krabbelte er fast verzweifelt die letzten zwanzig Fuß nach oben und zog sich auf die Plattform, wo die Lautsprecher befestigt waren. Sie zitterten unter dem Volumen der Musik. Die Verstärker waren ohrenbetäubend. Sandy zog Kleenex aus seinen Taschen, feuchtete es im Mund an und stopfte es sich in die Ohren. Das half ein bißchen, aber der Musik war nicht zu entrinnen. Sie war überall um ihn herum. Schwer atmend von dem Aufstieg, rollte er sich auf den Rücken. Seine Hände waren wund und blutig. Für lange Augenblicke wollte er nur dort liegenbleiben.
    Sie brachten eine lange, stürmische Version von »Blood on the Sheets«, und sie brachten auch »Ash Man«, und immer noch fand Sandy nicht die Kraft, sich zu bewegen. Dann hörte er Maggios schneidende, polternde, angeätzte Stimme aus den riesigen Lautsprechern voll durch die behelfsmäßigen Ohrstöpsel schreien, die er sich gebastelt hatte. »Die Wichser haben versucht, uns dran zu hindern, heute abend hier zu spielen«, sagte Maggio. »Was sagt ihr dazu?«
    »SCHEISS DRAUF!« brüllte die Menge zurück.
    »Sie haben gesagt, diese Versammlung ist illegal, ist das zu glauben?« knurrte Maggio. »Sie haben gesagt, bleibt zu Hause. Sie haben gesagt, löst euch auf.«
    »SCHEISS DRAUF!« schrien eine halbe Million rauhe Stimmen.
    Maggio lachte. »Aber genau! Sie sind jetzt da draußen, wißt ihr. Die Wichser wollen uns immer noch aufhalten. Sie haben Panzer und Knarren und das beschissene Napalm, aber sie werden uns nicht aufhalten, diesmal nicht, da könnt ihr einen drauf lassen! Werden sie’s?«
    »NEIN, ZUM TEUFEL!«
    »Aber vielleicht versuchen sie’s. Und wenn, ist mir das scheißegal. Wißt ihr, warum? Weil ich wahnsinnig bin!«
    »Wie wahnsinnig bist du?«
    Ein Soundstoß von der Fender Telecaster, tausendfach verstärkt; ein einziger rüttelnder, sengender, lodernder, kreischender Akkord, der durch die Nacht vibrierte. »Also«, sagte Maggio, »ich bin echt total sauer!« Die Nazgûl explodierten im Sound, der Beat hämmerte los, und Maggio sang seinen Zorn hinaus.
    Ain’t gonna take it easy
    Won’t go along no more
    Tired of gettin’ stepped on
    When I’m down here on the floor
    Sandy rollte sich herum, kroch an den Rand der Plattform, machte den Reißverschluß des Kleidersacks auf und zog das Gewehr heraus. Er stieß den Sack von der Plattform und sah zu, wie er in die Menge fiel, die unten tobte und brodelte. Sandy stützte das Gewehr auf und visierte Maggio unten an. Er war jetzt näher dran, und das Zielfernrohr hatte eine stärkere Vergrößerung als das Fernglas. Er konnte alles ganz deutlich sehen. Maggio schwitzte ausgiebig. Die Geschwüre in seinem verwüsteten Gesicht waren mit Make-up zugedeckt, aber der Schweiß hatte die Schicht zerlaufen lassen, und jetzt sahen sie offen und häßlich und schmerzhaft aus. Kleine Bäche von Feuchtigkeit rannen unter den Scheinwerfern an Maggios Brust hinab. Sandy konnte die Rippen zählen. Maggio legte alles, was er noch hatte, in den Song, goß giftige Säure über alle Ungerechtigkeit der Welt aus und grinste höhnisch auf seine Gitarre hinab, während er alles aus ihr herauspreßte. Der Song heulte wie ein dämonischer Wind aus dem Sound-System, aber es war nur

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