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Arno-Linder 1: Papierkrieg

Arno-Linder 1: Papierkrieg

Titel: Arno-Linder 1: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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Weiß, die Frackschöße ebenso verschlissen wie die Polsterbezüge, stehen sie rauchend und Kaffee trinkend neben der Kassa.
    Wehe dem, der sie ruft, er wird mit so viel Verachtung und Bosheit gestraft, als ob er ein verurteilter Kinderschänder wäre. Aber auch an der Unfreundlichkeit kann sich ein Herz erfreuen, ist sie doch viel schöner als die moderne
McDonald’s-Servilität des implantierten Dauerlächelns.
    In typisch wienerischer Unterwürfigkeit gegenüber Titeln und Ämtern wird vor dem Herrn Professor und dem Hofrat gekatzbuckelt, inklusive der Frage nach »der Frau Gemahlin ihrem Wohlbefinden«. Durch all diese Unterwürfigkeitstünche dringt aber stets die Verachtung des Gastes durch den Ober und ironisiert sie immanent. Der Titelträger verachtet seinerseits den inferioren Ober, ließe sich aber nie etwas anmerken. Beide wissen um das Spiel und spielen es um seiner selbst willen.
    Dieses Schauspiel, ein höchster Ausdruck menschlicher Kultiviertheit, das fast im Range eines religiösen Kultes steht, verfehlt nie seine Wirkung, den eingeweihten Beobachter zu faszinieren. Wie der Karneval in Venedig, der das wahre Ich hinter Masken verbirgt, tarnt sich hier die tatsächliche Meinung hinter einer sprachlichen Maske der Freundlichkeit und Wertschätzung.
    Ich hatte meinen Kaffee vor mir und las mich durch den Feuilletonteil der FAZ, die Krone hatte ich gerade geschafft, als Reichi eintraf.
    Draußen regnete es mittlerweile wieder. Reichi schälte sich aus seiner NORTH-FACE-Jacke, legte die GORE-TEX-Mütze daneben, ließ sich auf dem Stuhl mir gegenüber nieder und winkte dem Ober.
    »Was trinkst du? Mir ein Bier und ein kleines Herrengulasch bitte«, bestellte er zur Bedienung gewandt.
    »Noch einen großen Mokka für mich, das wär’s. Danke.«
    »Sehr wohl.« Hinter der steinernen Maske des Obers ließ sich nicht ausmachen, ob er nur uns oder auch unsere Nachkommen bis ins siebte Glied verwünschte.
    »Also, schieß los, warum geht’s?« Seine Sprache hatte im Lauf der Zeit einen starken Wiener Einschlag angenommen, hinter der aber in Vokalfärbung und Betonung der Alemanne hervorlugte.
    »Ich brauch deine Hilfe.«
    »Dacht ich mir doch, sonst rufst du eh nicht an.«
    Ich schaute noch einmal kurz um uns, wir saßen in der Ecke neben dem Fenster und die Tische rundherum waren unbesetzt.
    »Kannst du mir einen Computer knacken, ich meine das Passwort?«
    »Windows oder Mac?«
    »Mac.«
    »Welcher?«
    »AirBook.«
    »Ausgezeichnet.« Seine Hände reibend, zitierte er wieder die Simpsons.
    »Also kannst du’s?«
    »Sicher, kein Problem. Woher hast du denn das Gerät? Geklaut? Du weißt schon: Sobald du im Internet bist, kann man jeden Mac physikalisch identifizieren.«
    »Der Besitzer braucht’s momentan nicht, ist aber sozusagen derzeit nicht erreichbar, darum komm ich nicht rein.«
    »Schon gut, ich mach’s dir. Hab noch nie ein AirBook in der Hand gehabt.« Moralische Grundsätze zählen nicht zu Reichis Fehlern. Sein Gesicht nahm den Ausdruck des Technikfetischisten an, der sich an Mainboardspezifikationen, Durchsatzraten und Chipdesign begeilt. Ich holte das Gerät aus meiner Tasche und gab es ihm, er schnalzte mit der Zunge und ließ es in seiner Umhängetasche verschwinden.
    »Und Reichi«, ich holte ihn aus seinem Elektroniklust-Universum auf die Erde zurück, »kein Wort zu niemandem.«
    »Sicher. In was bist du da wieder reingerutscht?«
    Ich zuckte mit den Achseln.
    Reichi drehte sich um. »Entschuldigen’s, Herr Ober, was ist mit unserer Bestellung?«
    »Kummt scho, kummt scho, kann a net hexn.«
    Wir warteten ja gerade erst eine Viertelstunde. Gut Ding will eben Weile haben. Reichi ließ nicht locker: »Aber die Getränke können S’ doch schon bringen?«
    »Nur net hudln, die Herrn, kummt scho no alls.« Außer uns war nur eine 80-Jährige in Begleitung ihrer Mutter da. Die beiden tranken Wein und aßen Krautfleckerln.
    Reichi drehte sich wieder zu mir um und wir grinsten uns mit Verschwörermiene zu.
    »Das war alles?«, stieg Reichi wieder auf das ursprüngliche Thema um.
    »Eigentlich schon. Kannst du auch ein iPhone knacken? Ich will dabei aber nicht geortet werden.«
    »Was treibst du, Arno? Lebst du jetzt vom Elektronikklau? Hab dir immer gesagt, mit Altgriechisch wirst du noch verhungern.«
    »Nein, ist nicht geklaut, niemand wird Anzeige erstatten. Also was ist, kannst du’s?«
    »Nein, aber ich kann dir eine Adresse geben, Türken-
Handyladen, eigentlich ist der Besitzer

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