Arno-Linder 1: Papierkrieg
wollte gerade ansetzen, ihre Frage zu beantworten, als mein Handy sich meldete. Ich fischte es aus der Innentasche meines Jacketts. Es war Reichi.
»Entschuldigen Sie bitte, geschäftlich.« Sie nickte mir gelangweilt zu.
»Ja«, sprach ich in den Hörer.
»Ich hab …«
»Nicht am Telefon«, sagte ich mehr für meine schöne Fahrerin als für Reichi. Ein bisschen Eindruck schinden schadet nie. »Hast du Ergebnisse?«
»Ja.«
»Können wir uns heute irgendwo treffen?«
»Sicher, wann und wo?«
»Wie wär’s in der Wunderbar?«
»Ausgezeichnet.«
»Gut, in 15 Minuten?«
»Ausgezeichnet.« Reichi legte auf.
Die Dame am Steuer sah mich fragend an. »Zum Schwedenplatz, der Herr?« In ihrer dunklen Stimme schwang eine gesunde Portion Zynismus mit.
»Das wäre nett.«
»Normalerweise bin ich kein Privattaxi.«
Was soll man sagen, wenn einem eine formvollendete Frau Vorhaltungen macht? Mir schien das Gold des Schweigens besser als das Silber einer möglichen Antwort.
»Na gut, ich setze Sie am Schwedenplatz ab.« Mit einem kurzen Seitenblick zu mir: »Die Gesprächigkeit in Person sind Sie aber nicht gerade.« Nach einer kurzen Pause. »Hallo, ist da wer zu Hause, hören Sie mir überhaupt zu?« Langsam wurde sie ärgerlich.
»Mir geht da was im Kopf herum, würde es Ihnen etwas ausmachen, mich kurz nachdenken zu lassen?«
Sie bremste abrupt ab und fuhr rechts ran. Wir hielten direkt neben der Aspernbrücke. »Steigen Sie aus. Ein netter Mann hätte mich zum Dank noch auf einen Drink eingeladen und wer weiß, vielleicht hätte ich sogar ja gesagt. Einer mit Manieren hätte sich wenigstens mit mir unterhalten und sich bedankt. Sie hingegen sind ein Arschloch.« Mit ihrem Kärtner ›A‹ und einer Idee von Hauchlaut auf dem ›R‹ brachte sie mein Herz zum Schmelzen.
»Sie haben mir die Mitfahrgelegenheit angeboten, mich praktisch in Ihr Auto gezerrt. Tut mir leid, dass ich deswegen nicht mein ganzes Leben aufgebe, um in Dankbarkeit zu zerfließen.« Einen kurzen Augenblick war sie baff. Dann fand sie ihre Haltung wieder.
»Raus aus meinem Wagen.« Ihre Augen funkelten und ich gehorchte. »Und lassen Sie sich nie mehr blicken.« Sie beugte sich über den Beifahrersitz, sodass sich ihre seidenweiße Bluse ein wenig öffnete und einen kurzen Blick auf eine wunderschöne Brust freigab. Dann knallte sie die Tür zu und raste davon.
Es regnete noch immer, auf den Gehsteigen stand das Wasser zentimeterhoch, und der Wind schnitt durch meinen Mantel wie ein Messer durch Butter. Es war dunkel, nass und kalt. Ich hatte Hunger und war müde. Meine Taschen waren leer und in der Mordsache hatte ich überhaupt keinen Durchblick. Dazu kam erschwerend, dass ich mich geradezu spektakulär aus dem Auto der schönsten Frau, der ich je begegnet bin, bugsiert hatte. Wenn alles andere mit ihr genauso schön war, wie zu streiten, hatte ich die Chance meines Lebens verpasst. Das war eine Glanzleistung gewesen, da gab es nichts zu rütteln. Ich hatte in der 95. Minute ein Elfergeschenk eines gütigen Schiedsrichters bekommen und vor lauter Erleichterung den Ball aus dem Stadion hinausgeschossen. Reife Leistung.
In der Wunderbar war noch nicht allzu viel los, die Ledercouch in der Spiegelecke war frei und ich ließ mich hineinfallen. Meine Tasche legte ich neben mich und wartete auf die Bedienung. Inzwischen wärmte ich mich etwas auf und hörte Musik aus den billigen Boxen, die für ihr armseliges Leistungsvermögen viel zu laut aufgedreht waren. Es spielte irgendeine FM4-Soundselection und gleich darauf war die Bedienung an meinem Tisch.
In der Wunderbar sieden sie fabelhaften Kaffee, etwas Heißes war jetzt genau richtig. Außerdem haben sie im Eisfach des Kühlschranks immer eine Flasche Stolychnaya Kristall, auf der die Eisblumen wachsen wie im Garten der Schneekönigin, die schwarzes Haar und mitternachtsblaue Augen hat. Und Hände, um Champagnerflöten zu halten. Außerdem ist der eiskalte Wodka ölig, zieht Schlieren auf dem Glas wie ein guter Cognac und schmeckt nach klarem, reinem Quellwasser.
Ich bestellte einen großen Mokka und einen Wodka. Bis Reichi schließlich eintraf, war ich bei der zweiten Runde angelangt und spürte keinen Schmerz mehr. Alles war warm und wohlig, die Kälte war aus meinen Knochen verschwunden und ich schnurrte wie ein schwarzer Kater unter einem Kachelofen.
»Servus«, grüßte Reichi. Ich hob meine Hand und er setzte sich zu mir. »Also, das ist schon was!«
»Hast du den Computer
Weitere Kostenlose Bücher