Arno-Linder 1: Papierkrieg
Trashdesign ausgestellt, der viel Rosa, Lichterketten und Fotos in unglaublichen Farben beinhaltet. Im Shop war es recht dunkel und, im Gegensatz zum wiederum grausig kalten Tag draußen, sehr warm. Der, wie Reichi sagte, ägyptische Besitzer saß hinter einem der Glasschaukästen. Ihm gegenüber saß einer der Brüder, die den Feinkostladen Ünsal auf der anderen Straßenseite führen. Die beiden tranken Tee, knabberten an Sesamkeksen und führten Männergespräche. Die wunderhübsche Frau des Inhabers stand hinter der Kassa. Mit Notizblock, Kugelschreiber und Taschenrechner bewaffnet, prüfte sie offenbar gerade die Bilanzen.
Die beiden Männer hechelten derweil die günstigsten Angebote aus der Mobiltelefonie-Branche durch. Beide lehnten lässig in ihren Stühlen, hatten die Beine übereinandergeschlagen und gestikulierten mit der Rechten, ihre Argumente unterstützend. Der Shopbesitzer vertrat die Ansicht, dass der neue
A1-Tarif gegenüber Bob günstiger wäre, der Ünsal-Bruder argumentierte vehement dagegen. Ich war fasziniert und hörte ein Weilchen zu. Selten hatte ich eine solche Kompetenz erlebt, wie sie hier von den beiden Diskutanten an den Tag gelegt wurde. Akademische Debatten können da nicht mithalten. Im Verlauf der Diskussion wechselten die beiden zur erweiterten Fragestellung, bei welchem aktuellen Vertrag der beste Wechsel von einem alten Tarif angebracht wäre. Als sie letztendlich auch noch begannen, ausländische Netzbetreiber mit ins Spiel zu bringen, verlor ich endgültig den Faden und schaltete mich ins Gespräch ein.
»Entschuldigen Sie bitte …«
Der Ägypter reagierte so, als ob ich gerade erst den Laden betreten hätte, und nicht schon seit einer guten Viertelstunde herumstehen würde.
»Ja bitte, was kann ich für Sie tun?« Dabei führte er die emaillierte Kaffeetasse mit zwei Fingern an den Mund.
»Ich habe ein Problem mit einem iPhone, man hat mir gesagt, Sie wären da Spezialist.«
»Schießen Sie los, ich bin ganz Ohr.« Kaum war das Wort iPhone über meine Lippen gekommen, spitzte der Ünsal-Bruder seine Ohren und versuchte unauffällig, einen gierigen Blick auf das Gerät zu erhaschen. Der Shopbesitzer war aufgestanden und blickte mich voll schlecht verhehlter Erwartung an. Seine Frau hörte auf zu rechnen und kam ebenfalls herüber.
»Mein Freund ist im Urlaub, erwartet aber einen wichtigen Anruf auf seinem Handy und hat es mir deshalb dagelassen.«
»Damit Sie das erledigen können.«
»Genau. Nur habe ich leider den Saft ausgehen lassen, und ich weiß seinen Code nicht.«
»Dann ruf ihn doch an«, lies sich der Ünsal-Bruder vernehmen.
»Geht nicht, er ist im Ausland, ich habe keine Telefonnummer.«
»In welchem Land isser denn?« Der Ünsal ließ nicht locker.
»Indien.«
»Dort gibt es eh ein ursuper Netz.« Er hatte Blut gerochen und ließ nicht mehr los. »Roaming ist nicht so schlimme dort, hätt er Handy mitnehmen können.«
Ich wollte gerade antworten, als der Shopbesitzer einsprang. »Passt schon, der Türke macht nur Witze. Krieg ma Handy schon auf.«
»Passt scho, war nur Witz. Sag ich nie was.« Der Ünsal lächelte mich an.
»iPhone ist teuer«, meldete sich die Frau, »kostet Sie 50 Euro.«
»Gut. Wie lange brauchen Sie denn?«
»Mein Mann braucht nur ein paar Minuten. Wollen Sie einen Kaffe?«
»Gerne.« Der Ägypter war inzwischen durch eine Tür nach hinten verschwunden. Ich setzte mich hin und lauschte der Unterhaltung der Frau mit dem Ünsal. Ünsals Frau war zurück in die Türkei, in Österreich war es ihr »zu Oasch« gewesen. Da stimmte die Ägypterin zu, auch ihr sei hier fad, zum Geldverdienen großartig, aber sonst nix los. Beide hatten Kinder und so debattierten sie eifrig über die verschiedenen Wege, sich Sozialleistungen zu erschwindeln. Schließlich schauten mich beide an und fragten, ob mich das nicht aufregen würde, wenn sie das Sozialamt bescheißen würden. Ich meinte sinngemäß, dass mir das so was von wurscht wäre, wie wenn in China ein Fahrrad umfällt. Daraufhin meinte Ünsal: »War eh nur Schmäh, alle Kinder da, Frau auch. Bist schon ok.« Beide lachten. Ich bekam Kaffee nachgeschenkt, da kam der Shopbesitzer aus seinem Hinterzimmer zurück.
»Code is geknackt.« Er legte das iPhone vor mich hin. »Aber telefonieren besser nicht, kann man orten.« Er nahm einen Schluck aus seiner Tasse. »Immer vorher Chip rausnehmen.« Ein zweiter Schluck Kaffee folgte dem ersten, unbeteiligt sprach er weiter. »Wenn Sie
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