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Arno-Linder 1: Papierkrieg

Arno-Linder 1: Papierkrieg

Titel: Arno-Linder 1: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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ihm zugute, als er sich nach einem Beruf mit weniger Risiko umschaute und Rausschmeißer im Klublokal der Hells Angels in Zürich wurde. Nun war er Ende 40, immer noch gebaut wie ein junger Muhammad Ali und der einzige Mensch, den ich kannte, der nahezu alle Länder der Welt bereist hatte, um in jedem Land eine Nummer zu schieben.
    In langen Nächten an der Bar hatte er mir ein paar der Geschichten erzählt, persönlich fand ich die am besten, in der ein Saudi-Prinz und ein Privatpuff in Er Ryad vorkamen.
    »Goht scho in Ordnung, Karli, er ischn Fründ vom Chef. Mach üs zwo Sauer und bring’s ins Eck.« Ohne seine Hand, in die locker ein kleiner Sattelschlepper gepasst hätte, von meiner Schulter zu nehmen, führte er mich in eine der dunklen Ecken.
    »Lass die aluaga, lang isch her. Was treibsch all a so?« Nachdem ich ihm meine momentanen Lebensumstände geschildert hatte, kamen die Drinks.
    »Karli, mach a Sound a, muss üs niamad zualosa.« Karli nickte und verschwand, worauf Musik aus den Boxen quoll. Fred hob das Glas und wir tranken. Die Whiskey Sour waren stark und die Eiswürfel klirrten.
    »Mir sind a klele nervös momentan, die Kiberei will üs was ahänga. Aber seg, warum bisch do, bruchsch was?«
    »Sag, Fred, Slupetzky, sagt dir der Name was?«
    »Wegat dem Arschloch homma ’s Gfrett. Zerscht zockt er ’n Boss ab und denn lot er sich verschüaßa, der Trottel. Jetzt mana die Kiberer, dass mir dahinter stecken!«
    »Was weißt du außerdem von ihm?«
    »Des söll dir dr Chef sega, der ka des bessr.«
    Wir machten unsere Gläser leer, schwelgten noch ein bisschen in Erinnerungen an die gute alte Zeit, dann standen wir auf und Fred brachte mich ins Büro vom alten Bender.
    Mittlerweile war mehr los im Klub und in den hinteren Zimmern wurde sicher schon gespielt. Babyface hatte Verstärkung hinter der Bar bekommen, die er auch dringend nötig hatte. Die Mädchen schwirrten wie die Bienen um die Tische und an einer der Stangen wurde getanzt. Rundherum saßen ein paar der Anzugträger, alle im Stil der Wallstreetbroker der 90er gekleidet, und winkten mit Fünfzigern.
    Wir gingen an der Bar vorbei nach hinten. Fred holte einen Schlüssel heraus und sperrte eine Tür auf, hinter der ein langer Gang zum Büro des Alten führte. Dort klopfte er servil, öffnete die Tür, spähte vorsichtig hinein und winkte mich daraufhin ebenfalls in das Zimmer.
    Bender hatte sich in den letzten fünf Jahren nicht verändert. Er musste jetzt knappe 80 sein und sah damals wie heute aus, als ob er die 100 lange hinter sich hätte. Sein dünnes graues Haar lag eng an seinem mit Altersflecken übersäten Totenschädel. Die Augen lagen so tief in den Höhlen, dass nur ganz hinten ein leichtes Schimmern wahrzunehmen war. Seine bleistiftstrichdünnen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als er mich erkannte.
    Ich ging auf den Schreibtisch zu und wir schüttelten uns die Hände. Seine waren kalt und unwillkürlich hatte ich Furcht davor, ihm mit meiner Berührung die Haut von den Händen zu ziehen, so lose schien sie auf den Knochen zu sitzen.
    »Setz dich, Kleiner. Schön, dich zu sehen. Was führt dich zu mir?«
    Seine Stimme klang rau, immer wieder musste er sich für längere Pausen im Satz unterbrechen, um Luft zu holen. Das war neu. Vertraut hingegen war seine Sprache. Bender artikulierte klar wie ein Burgschauspieler, nur am Ende der Sätze, wenn ihm die Luft auszugehen drohte, verschluckte er ab und zu eine Silbe. Seine Sprache schien sich direkt aus dem Wien der Zwischenkriegszeit herübergerettet zu haben. Herzmanovsky, Polgar und Kraus mochten einmal so geredet haben. Sein Deutsch stammte aus einer Zeit, als die Hakoah noch um den österreichischen Meister gegen die Amateure spielte. Außerdem war er der einzige Mensch, den ich kannte, der noch Frigidaire zum Kühlschrank sagte. Ein Wort wie Eisschrank wäre für ihn ein Neologismus gewesen.
    Wir machten etwas Smalltalk, bis ich mit meiner Frage nach Slupetzky rausrückte. Bender sah kurz Richtung Fred, dann fokussierte er wieder mich und legte los.
    »Slupetzky kam mit dem Mauerfall in den Westen. War anschließend fast die ganzen 90er auf irgendwelchen Kreuzfahrtschiffen. Hat dort fette Millionärinnen ausgenommen. Hat damals auch in den Staaten gepokert. Irgendwas ist dort schief gelaufen und er ist in Wien gelandet, so vor zehn Jahren ungefähr. Er hatte ein paar Tische laufen, an denen er sich immer wieder blicken ließ. Hat ein bisschen gewonnen, aber nicht viel.

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