Arno-Linder 1: Papierkrieg
wirklich nicht, ich schwör’s dir.«
»Mike, wenn du mich anlügst, bringt das nichts. Sag mir, was du weißt, und vielleicht kann ich dich noch raushauen. Die wissen viel und es dauert nicht mehr lange, und sie wissen alles.«
»Leck mich, du Arsch, was hast du denen gesagt, dass du noch lebst?«
»Ich hab mein Blatt nicht überreizt, aber du. Sei vernünftig, Mike, allein wirst du das nicht durchstehen.«
»Du willst mich nur bei denen reinreiten, um dich selbst zu retten. Fick dich.«
Ich ließ langsam das Messer sinken und lockerte den Griff um seinen Hals. Mike machte sich frei, rückte von mir weg und fuhr sich mit einer Hand an die Kehle, mit der anderen griff er sich sein Bier und trank einen Schluck. »Scheiße, ich dachte, du wolltest mich tranchieren.«
»Wollt ich auch. Hast eh mehr Glück als Verstand.« Ich ließ den Butterfly zuschnappen und legte ihn auf den Tisch. Dann stand ich auf und ging, ohne noch ein Wort zu verlieren oder mich auch nur umzusehen.
II
In der Zieglergasse befindet sich ein asiatischer Supermarkt. In den Gängen findet sich alles, was das Herz sich nur wünschen kann. Literflaschen Kikkoman-Sojasauce, Instant-Nudelsuppen in allen Variationen, Sobanudeln und Masalas in allen Schärfen und Geschmacksrichtungen. Tsingtao-Bier ist genauso erhältlich wie Blue Oyster Sauce. Alles im schreienden asiatischen Design. Vor allem aber haben sie M-140.
Das kommt aus Thailand und ist die Tyrannosaurus-Rex-Variante von Red Bull. Damit kann man die 110 Stunden von Chiang Mai nach Burma durch den Dschungel fahren, ohne müde zu werden. Wenn es zu stark gekühlt wird, flocken Taurin und Koffein aus.
Abgefüllt wird es in 125-Milliliter-Fläschchen, die viereckig und braun sind und leicht an die Laudanumflaschen des 19. Jahrhunderts erinnern. Das Etikett ist in Gelb und Rot gehalten, und mit einem roten Stern und den Schlagworten versehen: Heroism, Leadership & Devotion.
Davon kaufte ich mir drei, trank zwei sofort und steckte mir eins in die Jacke. 20 Sekunden später war ich wirklich wach und der Tag konnte beginnen.
Während ich auf die Uni fuhr, überlegte ich kurz, ob ich nicht Koks-Berti und seine Trashqueen anrufen sollte. Ließ es aber bleiben, die Russen wussten sicher bereits von ihnen und das hieß, dass ich ihnen nicht mehr helfen konnte. Zurückhaltung kann auch eine Tugend sein.
Auf der Uni war ich der Erste im Institut, nicht einmal die Sekretärin war schon da. Ich ging in mein Zimmer, setzte mich hinter den Schreibtisch und begann zu wählen.
»Hi, Fritz, Arno hier.«
»Servus.«
»Das Päckchen, erinnerst du dich?«
»Sicher.«
»Kannst du es mir so schnell wie möglich zur NB bringen? Gib es Erich dort und sag, dass es für mich ist.« Erich war der Chefbibliothekar der Nationalbibliothek. Er war bibliophil, und seitdem ich einmal ein seltenes Buch für ihn gefunden hatte, war mir alles erlaubt. Ich bin der Einzige, der im großen Lesesaal einen privaten Platz hat. Seit den Tagen, als die NB die Privatbibliothek der Kaiser war, jedenfalls.
»Sicher. Geht klar. Ich mach einfach eine Rauchpause.«
»Trag das Päckchen so, dass man es nicht sieht.«
»Wenn du willst.«
»Danke, Fritz, hast was gut.«
»Nur keine Schmierenkomödie abziehen, wir sehen uns.« Damit legte er auf. Vielleicht war es übervorsichtig, aber falls die Russen mir jemanden hinterhergeschickt hatten, wollte ich nicht mit dem Revolver durch Wien laufen. Ich wählte die nächste Nummer auf meiner geistigen Liste.
Zu der Zeit, als ich meine Dissertation verfasste, schrieb ein Seniorstudent seine Diplomarbeit bei meinem Doktorvater. Er war lange Jahre im Vorstand des Niederösterreichischen Elektrizitätsverbundes gesessen, und hatte ein paar Jahre im Nationalrat verbracht. Nebenbei war er in der Österreichischen Tabakregie der Mann hinter Mauhart gewesen. Er war auch in die Gründung der Kronenzeitung durch Gewerkschaftsmillionen verwickelt, ohne aber wie Ohla deswegen ins Gefängnis zu müssen. Soweit ich weiß, war er damals nicht einmal im Gesichtsfeld der Ermittler präsent gewesen und man hätte ein äußerst gewiefter Spürhund sein müssen, um mehr als einen Zeitungsartikel zu finden, in dem sein Name vorkam.
In der Pension, die mit dem Ende der Ära Vranitzky zusammenfiel, hatte er sich mehr auf seine schöngeistigen Interessen konzentriert und das Latein und Griechisch seiner Schulzeit aufgefrischt. Außerdem war er Sammler.
»Dittrich, Helmut.« Er sprach weich und
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