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Arno-Linder 1: Papierkrieg

Arno-Linder 1: Papierkrieg

Titel: Arno-Linder 1: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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Sonnenaufgang.
     
     
     

Kapitel 4
     

I
    Irgendwann, bei der zweiten Version von ›I cover the waterfront‹, war ich eingeschlafen. Noch bevor Lesters Sax in die ersten zarten Takte von Coles Solo übergeht. Dort im Land des Jazz war alles schön, hier in der realen Welt wohnte der Schmerz. Ich fühlte mich wie ein 90-jähriger Greis, der einen 10-Stunden-Viagraritt hinter sich hat.
    Draußen war es hell, es hatte aufgehört zu regnen. Dafür war, was selten ist für Wien in dieser Jahreszeit, der Nebel eingefallen. Und mit dem Nebel war die Nässe hereingekommen. Die Decke war klamm und mir war kalt.
    Ich schloss das Fenster, quälte mich ins Bad, das eigentlich nur eine Ecke meiner Küche ist, zog mir die verdreckten und vollgebluteten Klamotten aus und stellte mich unter das kochend heiße Wasser. Zehn Minuten später war ich wieder ein Mensch, zwar ein schwer ramponierter, aber ein Mensch. Nachdem ich mich rasiert hatte, packte ich meine Sachen zusammen, zog mir etwas an und stieg die Treppen hinauf zu Mike. Der war immer schon früh wach, denn der Hunger nach Alkohol trieb ihn stets im Morgengrauen aus den Federn.
    Ich klopfte an seiner Tür, von drinnen kam ein »Is eh offn« und ich trat ein. Mike saß vor seinem Wohnzimmertisch. Auf diesem herrschte ein Durcheinander aus Aschenbechern, Bierdosen und Essensresten. Vor sich hatte Mike einen Spiegel liegen, eine schöne alte Apothekenwaage und Zubehör. Er blickte kurz von seiner Arbeit auf und staunte mich an. Dann wandte er sich wieder seiner Beschäftigung zu, die darin bestand, Schnee in kleine mintgrün und rosa glänzende Briefchen zu packen.
    »Du? Schaust aber gar nicht gut aus. Ein Bier oder einen Kaffee?« Er wies mit einer Hand auf die Kanne, die neben ihm auf dem Boden stand. Ich holte mir in der kleinen Küche eine der saubereren Tassen und schenkte mir ein.
    »Was wird das, wenn’s fertig ist? Sieht ja ziemlich professionell aus.«
    Ich wusste, dass Mike nebenbei in kleinem Maße dealte. Hauptsächlich für seine Mäderln. Mittlerweile schien er aber größer eingestiegen zu sein.
    »Ist für ein paar Mädchen, die wollen das so. Soll trendy sein.«
    »Mikes Designerkokstäschchen, heute für 10,95.«
    »So in etwa. Ist eine furchtbare Kletzlerei.«
    »Für deine Mädchen?«
    »Nein, die sind nicht so heikel, würd ich ihnen auch nicht raten.«
    »Kann’s mir denken.«
    Ich setzte mich neben ihn und nahm einen Schluck vom Kaffee. »Mike, wegen Slupetzky.«
    »Ja.« Er blickte konzentriert weiter auf sein kleines Silberlöffelchen und das Briefchen, das er füllen wollte. Aus der Entfernung hatte ich die kleinen LV-Zeichen gar nicht bemerkt, die auf der Glanzfolie für die Briefchen aufgedruckt waren.
    »Wahnsinn, Louis-Vuitton-Kokstäschchen. Das ist ja der Renner.«
    »Yeahh«, Mike klang stolz, »ich weiß, was die kleinen Schneggerln wulln.«
    »Zurück zu Slupetzky.«
    Wieder stierte Mike auf seine Utensilien.
    »Den hast du doch gekannt.«
    Mike legte die Briefchen zur Seite. Probierte von seinem Bier. »Wie man Leute halt so kennt.«
    »Wie hast du den denn kennengelernt?«
    »Was geht dich das an?«
    »War vorher wer bei mir. Wär fast in die Hose gegangen. Hör zu, ich muss das wissen.«
    »War ein paar Mal bei meinen Mädchen, hab ihm auch ein bisserl was verkauft.«
    »Und du hast ihm die Wohnung besorgt.« Mike gehörte auf Umwegen das Wohnhaus.
    »Ja.«
    »Weißt du, was der abgezogen hat?«
    »Keine Ahnung.«
    »Lüg mich nicht an.«
    Mike fing wieder an, sich um seine Louis Vuittons zu kümmern, so ganz wollte ihm das aber nicht gelingen. Ich war unausgeschlafen, alles tat mir weh und ich war sauer. Das war nicht der rechte Zeitpunkt, mir blöd zu kommen. Mit der Linken ließ ich den Butterfly des Russen aufschnappen, mit der Rechten packte ich Mike im Nacken. Wenn man auf den Schlachthöfen Rinderhälften schleppt, hat man Kraft. Ich hielt ihm das Messer vor die Augen. »Mir ist bald alles wurscht. Dann schneid ich dich in zuckende Fetzen.«
    »Hey, easy, Mann.« Mike hob beschwichtigend die Arme. »Hatte irgendeine Computersache am Laufen. Ging wirklich gut. Hat massig Geld bei mir verfickt.« Seinen Kopf hatte ich weit nach hinten gebogen. Das Messer saß an seinem Hals, dort, wo die Haut weich ist und sich jeder fürchtet.
    »Von den Computern weiß ich. Sonst noch?«
    »Keine Ahnung.«
    »Hast du seinen Partner gekannt?«
    »Nein.«
    »War da sonst noch wer, Kunsthändler oder dergleichen, irgendwie Ex-YU?«
    »Nein,

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