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Arno-Linder 1: Papierkrieg

Arno-Linder 1: Papierkrieg

Titel: Arno-Linder 1: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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verstorben ist, kann ich nicht sagen.
    Unter diesen Gedanken war ich an der Albertina vorbeigekommen, hatte die Maysedergasse durchquert und war schließlich in der Krugerstraße gelandet, wo sich das Tenmaya befindet. Als zentraleuropäischer Beitrag zur Ernährungssituation steht direkt vor dem Eingang des Lokals ein Pizza-Döner-Würstelstand, der dem hungrigen Wiener, der von rohem Fisch und kaltem Reis nicht satt wird, die gewohnte Eitrige anbietet.
    Das Tenmaya ist klassisch japanisch eingerichtet, in cremigem Weiß und satten Holztönen gehalten. Rechts vom Eingang ist das Teppan Yaki zu finden, hinten die traditionellen Räume, wo man auf Reisstrohmatten sitzt, von den Nachbarn durch Shojiwände getrennt. Links vorne befinden sich die kleinen Tischchen für die schnelle Nudelsuppe und die Sushis.
    Ich suchte mir einen Platz, wie immer waren relativ viele Japaner anwesend, und bestellte einen Tee. Neben der Qualität des Tees war auch die Ästhetik des Steinguts hervorragend. Nur der japanische Sinn für Schönheit vermag Plumpheit in Grazie zu verwandeln. Ich trank genussvoll in kleinen Schlucken.
    Als Reichi schließlich eintraf, bestellten wir. Zwei Teller Udon Nudeln und ein paar Sushis. Insbesondere auf den Weißfisch hatten wir es abgesehen. Die butterweiche Konsistenz zerfließt auf der Zunge, der federnde Rundkornreis füllt den Mund und es bleibt eine Ahnung von Meer und Ruhe. Während des Essens kamen wir nicht viel zum Reden, kulinarische Befriedigung war das Motto des Moments. Als wir zum Abschluss noch einmal an der Teetasse nippten, schob ich Reichi das iPhone mitsamt dem elektronischen Zubehör hinüber. Alles hatte in einem mit Seide gefütterten Jutesäckchen Platz gefunden, das mir einmal eine wunderbare Frau geschenkt hatte. Doch mit den Erinnerungen an Frauen ist es wie mit Mühlsteinen. Zur rechten Zeit und am rechten Ort sind sie vollkommen. Wenn man sie aber zu lange mit sich herumschleppt, ziehen sie einen unweigerlich hinunter. Und wer zu lange in den Abgrund starrt, in den starrt der Abgrund zurück.
    »Was kriegst du?« Reichi fischte nach seinem Portemonnaie.
    »Lass es, geht aufs Haus. Als Dank für die Hilfe.«
    »Komm schon, du bist doch arm wie eine Kirchenmaus.«
    »Langsam schließe ich seinen vormaligen Besitzer ins Herz. Es ist übrigens echt.«
    »Typisch du. Nagst am Hungertuch und wirst einem Toten gegenüber sentimental, den du zuvor eiskalt beraubt hast.«
    Auf meinen erstaunten Blick hin erwiderte er: »Hab’s in der Zeitung gelesen und zwei und zwei zusammengezählt.«
    »Reichi, sag, bei dem Geschäft …«
    »Du meinst, gefälschte Elektronik kaufen, als Kuckuckseier Apple unterschieben und selber weiterverkaufen?«
    »Genau. Sag, was schaut da heraus?«
    »Ohne dass es auffällt, meinst du?«
    Ich nickte.
    »Kann nur raten. Aber da in Wien praktisch das ganze Sortiment für Mittel- und Osteuropa ankommt, schätze ich, dass man im Monat so an die 100 Computer und entsprechendes Kleingerät unterbringen kann. Dann kommt’s darauf an, was man verlangt.«
    Ich nickte und genehmigte mir einen Schluck Tee. Nun stellte sich nur mehr die Frage, wie viel ein Menschenleben wert war und wie lange man so einen Deal durchziehen konnte.
    »Das Ganze ist also eine Peanutssache.«
    »Na geh, das wird im Jahr bestimmt auf eine runde halbe Million hinauslaufen, die übrig bleibt. Praktisch ohne Risiko und Arbeit. Wenn die Chinesen schon die richtigen Packerln machen, mit Logo und allem, sind das nach der Vorbereitung nicht mehr als 20 Minuten Gabelstaplerfahren in der Woche.«
    »Gegen die 10.000 Nummern, die täglich in Wien bezahlt werden, oder die zwei Kilo Schnee sind das Peanuts.«
    »Mhmmm, hast recht. Wir sollten den Beruf wechseln.« Er lächelte. »Ich meine, ich sollte den Beruf wechseln, du hast ja bereits umgesattelt, scheint’s.«
    »Ja, ich hab mich outgesourct, da liegt die Zukunft.«
    »Hab’s dir immer gesagt, als Philologe im Zeitalter des Shareholderkapitalismus stirbst du aus wie die Dinos.«
    Ich zahlte, und wir machten uns daran zu gehen. Als ich mich ächzend erhob, konnte er seine Neugier nicht mehr zügeln. »Was ist mit dir passiert? Du schaust aus wie der junge Tod und bewegst dich wie sein Opa!«
    »Renkontre mit einer 200-Kilo-Nutte. Auf Koks.«
    »Schmäohne jetzt. Berufsrisiko?«
    »Genau.«
    »Naja, es hätt dich ja auch ein kupferbeschlagener Schweinslederfoliant aus dem obersten Regal erwischen können, während du irgendeinen alexandrinischen

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