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Arno-Linder 1: Papierkrieg

Arno-Linder 1: Papierkrieg

Titel: Arno-Linder 1: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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beiden nicht mehr. Aber vorerst waren nur eine Menge Touristen zu sehen, die sich mit grimmiger Härte daran machten, den Kaiserpalast zu besichtigen. Über ihnen schwebte, einer Wolke gleich, polyglottes Geschnatter aller Erdteile.
    Als es langweilig zu werden begann, erschienen Bender und Fred. Fred ging wie immer links von Bender, etwa einen halben Schritt hinter ihm. Es schien, als wäre er jederzeit bereit, den alten Mann, sollte er straucheln, aufzufangen. Er trug eine schwarze Lederjacke, Jeans und Cowboystiefel, Bender einen dunkelblauen Mantel aus dickem Wollstoff, schwarz glänzende Schuhe und einen elegant pfiffigen Hut aus grauem Stoff mit dunkelblauem Hutband. In der Rechten schwang er unternehmungslustig einen Spazierstock aus schwarzem Holz.
    Ich trat auf die beiden zu, als sie gerade im Begriff waren, das Schlosstor zu passieren. Fred bemerkte mich sofort und auf ein winziges Zeichen hin drehte mir Bender seinen Kopf zu, ohne dabei aber stehenzubleiben. Seine Augen lagen wie immer tief in seinem Totenschädel, er presste die Lippen hart aufeinander, sodass sie zu dünnen, blauen Strichen wurden. »Geh ein Stück mit uns. Wir müssen reden.«
    Daraufhin schwieg er wieder und ich ging rechts neben ihm. Da sich Fred nie erlaubt hätte, in Gegenwart des Alten ungefragt zu sprechen, herrschte Funkstille, während um uns herum die Touristen plapperten. Der Gegensatz zwischen dem stillen Ernst Benders und der in Anbetracht des strahlenden Wetters fröhlichen Ausgelassenheit der anderen machte mir klar, warum Bender in Schönbrunn spazieren ging.
    Obwohl ich nicht genau weiß, wie alt er wirklich ist, entstammte er ohne Zweifel noch einer Generation, der es bewusst war, was für ein Privileg es ist, im kaiserlichen Garten zu lustwandeln. Vielleicht waren in Benders Kindheit noch Ehrenwachen am Tor gestanden, hinter dem der Kaiser wohnte, und Bender hatte aufgeregt zugesehen, wie Limousinen und Kaleschen den Palast verließen. Diesen Gedanken schob ich schnell beiseite, denn so alt war Bender sicherlich nicht; aber den letzten Hauch von Tabu hatte er in seiner Kindheit sicher noch gespürt.
    Wir gingen zwischen dem Hauptgebäude und der Wagenburg nach hinten in den Garten, das große Parterre. Da um diese Jahreszeit noch keine Blumen gesetzt waren, fehlte die barocke Farbenpracht des Frühlings und Sommers, aber die weite Fläche, begrenzt von grünen Hecken, zwischen denen weiße Marmorstatuen stehen, war trotzdem eindrucksvoll. Wir gingen geradewegs auf den Neptunbrunnen zu und bogen danach links ab in den Weg, der zwischen den Bäumen zur kleinen Gloriette hinaufführt. Kaum hatten wir den Wald betreten, waren wir alleine. Wir gingen noch ein paar Meter weiter, verließen den Weg und gingen direkt unter den Bäumen, bis Bender stehen blieb und Fred ihm einen kleinen Sack mit Nüssen reichte. Bender ging äußerst mühsam in die Knie, wobei er sich mit einer Hand auf seinen Stock stützte und eine Haselnuss in seine Linke nahm. Während er regungslos verharrte, präsentierte er die Nuss auf der offenen Handfläche. Sofort zeigten sich zwei Eichhörnchen, die zwischen den Bäumen dahergesprungen kamen. Drei oder vier Schritte vor uns blieben sie stehen und stellten sich schnuppernd auf die Hinterbeine, die roten Schwänze zuckten buschig hinter ihnen. Dann machte das linke den ersten Schritt und kam vorsichtig näher, bis es sich an den Fingern Benders festhielt und die Nuss in einer blitzschnellen Bewegung mit seinen scharfen Zähnen packte. Daraufhin machte es kehrt und hoppelte ein paar Sprünge von uns weg. Setzte sich mit aufgerichtetem Schwanz hin und begann, an der Nuss zu knabbern, die es in seinen Vorderpfoten hin und her drehte.
    Bender nahm eine zweite Nuss in die Hand und bot sie wie zuvor an. Doch das zweite Eichhörnchen war nicht so mutig wie das erste. Es tänzelte an einem unsichtbaren Kreisbogen entlang, ohne sich jedoch näher zu wagen. Dann sprang es nach hinten und huschte geschwind einen Baumstamm hinauf. Ich wollte mich schon enttäuscht abwenden, als Fred mir ganz leise zuflüsterte »Wart no a kläle.« Als ich ihn anblickte, wies er nur mit seinem Kopf nach oben. Das Eichhörnchen war in den Baum hinaufgestiegen und schwang sich nun zu einem Ast der Eiche, die direkt hinter uns stand. Anschließend kletterte es aufgeregt fiepsend den Stamm hinunter, bis es etwa 20 Zentimeter über dem Boden hielt und uns das Köpfchen entgegenreckte. Bender drehte sich ganz vorsichtig um und hielt

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