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Arno-Linder 1: Papierkrieg

Arno-Linder 1: Papierkrieg

Titel: Arno-Linder 1: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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nachhaltig steigerte.
    Der F-Dur-Satz des Ersten Brandenburgischen Konzertes, der polyfon die Streicher, Hörner und Holzbläser einander in Gruppen gegenüberstellt, um sie in sechs verschiedenen Anläufen auf verschlungensten Wegen wieder in ein Tutti zu führen, wogte in all seiner barocken Majestät durch meine kümmerliche Wohnung. Ich erforschte die kleinen, obskuren rhythmischen und melodischen Abwegigkeiten, die einem bei den ersten 20 Höranläufen gar nicht auffallen, und genoss die logische Geschlossenheit und den musikalischen Geschmack des alten Meisters. Bei aller konventionalen barocken Steife und Förmlichkeit seiner Musik drang aus sämtlichen Phrasierungen und Punktierungen die Emotion in all ihrer radikalen Individuierung. Nicht, dass die Strenge der Form der Expression im Weg gestanden hätte, durch den Kontrast, den sie hervorrief, steigerte sie den Ausdruck so, wie es der formloseren, weniger strengen Musik der degenerierten Jahrhunderte danach nicht mehr möglich war. Bei aller Achtung vor Mozart und Charlie Parker, so einer wie Bach war der Welt nicht mehr geschenkt worden.
    Vom pompösen Hoch des ersten Satzes stürzte ich ansatzlos in die Molltrauer des zweiten. Das Adagio besteht im Wesentlichen aus dem weit ausgeführten und reich verzierten Zwiegesang von Oboe und Solovioline. Die Einzelstimmen werden schlussendlich in einen Chor zusammengeführt und das Ganze in einem Continuo abgeschlossen, das herrlich klagende Seufzer in den Oberstimmen bringt, voller Dissonanz. Ich wartete gerade auf die Schlussakkorde der Orchestergruppen, als unerwartete Paukenschläge meinen Hörgenuss trübten. Mir war bewusst, dass die Aufnahmen scheußlich waren, sowohl von der Klangqualität als auch von Besetzung und Führung her gesehen, aber dieses schreckliche Klopfen war mir vorher nie aufgefallen. Ich wunderte mich. Eine Zeitlang. Bis das Stück vorbei war und mir klar wurde, dass es an der Tür klopfte. Ich raffte mich auf und quälte mich aus dem Sessel. Meine Decke hatte die Tendenz, mir von den Schultern zu rutschen, neben den anderen Problemen machte das die Situation auch nicht einfacher. Irgendwie gelang es mir, mich bis zur Tür durchzukämpfen, und ich öffnete.
    Vor mir stand Laura. Sie kochte geradezu vor Wut, drängte mich zur Seite und stürmte in meine Wohnung. Ich war ihr hilflos ausgeliefert und tappste einfach hinterdrein. Angestrengt versuchte ich mich zu konzentrieren, aber immer wieder entglitten mir die Gedanken und gerieten auf Abwege. Es schien Stunden zu dauern, bis ich bei der Couch angelangt war und mich in meine angewärmte Sitzkuhle fallen lassen konnte. Ich fror entsetzlich und zog die Decke fester um die Schulter. Meine Zähne klapperten. Der Adrenalinstoß, den mir Lauras Einritt verursacht hatte, schien sich letztendlich doch noch auszuzahlen, ich wurde etwas klarer im Kopf. Ich konnte zwar immer noch nicht ganz verstehen, was sie mir erzählte, während sie in der Wohnung auf und ab schritt. Aber immerhin verstand ich einzelne Wörter und es war mir überhaupt bewusst geworden, dass sie redete. Zuerst hatte ich das irgendwie gar nicht mitgekriegt. Es schien darum zu gehen, dass ich nicht angerufen, ja, mich überhaupt nicht gemeldet hatte. Dann kam ein Teil, der sich darum drehte, dass sie nur gekommen sei, um mir mitzuteilen, dass unsere Beziehung, wenn man das überhaupt so nennen könne, nun zu Ende sei. Wenn ich nur an billige Nutten gewöhnt sei, sei das mein Problem und nicht ihres. Sie wolle anständig behandelt werden. Zunehmend verstand ich mehr und mehr. Schließlich kam sie zum Finale Grande.
    »So, und zu alldem hast du nichts zu sagen, sitzt einfach da und schaust mich an, als ob du überhaupt nicht verstehen würdest, worum es geht. Ich hab’s schon gesagt und sag es wieder: Du bist ein Arsch.«
    Ich starrte sie an. Sie starrte zurück, unendlich böse. Auf eine unbestimmte Art und Weise jagte sie mir mehr Angst ein als all die Boxer und Augenbraues und anderen rohen Gewaltmenschen, denen ich in den letzten Tagen begegnet war.
    »Also, wenn du nicht mit mir reden willst: Ich gehe.«
    »Laura, warte«, ich wollte noch mehr sagen, aber ein Hustenanfall kam mir zuvor. Der Husten war trocken und schüttelte mich wie eine Riesenfaust. Laura drehte sich um. Dann überlegte sie kurz.
    »Du bist doch nicht etwa krank? Lass mal sehen.«
    Mit diesen Worten schritt sie auf mich zu und beugte sich über mich. Das hatte zwei Vorteile. Der erste war, dass ich ihre kalten

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