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"Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt"

"Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt"

Titel: "Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Senzel
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selbstverständliche, lästige Pflicht, die ich hinter mich bringe. Danach könnte ich Bäume ausreißen. Ich spüre bereits wieder Muskeln wachsen und ich habe fast ein Kilo abgenommen. Das Sodbrennen – seit Langem mein ständiger Begleiter – ist fast gänzlich verschwunden. Seit mindestens ebenso langer Zeit habe ich das erste Mal eine Nacht durchgeschlafen. Das wattige Gefühl im Kopf, den übersäuerten Magen, die schlappe Kraftlosigkeit, Müdigkeit und Niedergeschlagenheit – ich hatte das nie so wahrgenommen, nicht als etwas Besonderes, es war eben Normalzustand. Erst jetzt, da ich davon frei bin, fällt es mir auf. Als hätte jemand eine Bleidecke von meinen Schultern genommen. Sogar den Kräutertee habe ich genossen. Das warme Wohlbehagen, mit dem er sich im Magen ausbreitet. Während Kaffee doch im Vergleich dazu eher wie eine Faust in den nüchternen Magen haut. Deshalb bringt Kaffee ja auch schneller auf Touren. Drei Tage habe ich unter dem Koffeinentzug gelitten. Heute vermisse ich zum ersten Mal gar nichts. Keine einzige Versuchung musste ich niederkämpfen, und der Tag war schwer in Ordnung so, wie er war. Aufregendes passiert ist nicht. Nach der Arbeit habe ich Hausarbeit erledigt, gekocht, meine Schuhe geputzt und Rechnungen überwiesen. Jetzt werde ich mir noch den Kulturteil des Guardian mit ins Bett nehmen und mir vielleicht für die nächste Woche ein schönes Konzert heraussuchen. Noch ein Stündchen lesen, aber mir fallen nach wenigen Seiten die Augen zu. Schlafe ich vor elf
schon tief und fest. Ich habe trotzdem nicht das Gefühl, dass ich gerade besonders viel versäume.
    Das wattige Gefühl im Kopf, der übersäuerte Magen, die schlappe Kraftlosigkeit, Müdigkeit und Niedergeschlagenheit – es war lange Normalzustand. Plötzlich fühle ich mich, als habe jemand eine Bleidecke von meinen Schultern genommen.
    Das Beeindruckendste an der Tate Gallerie ist die riesige Turbinenhalle. Das bedeutendste britische Museum für moderne Kunst ist in einem ehemaligen Kraftwerk untergebracht. Ich stehe etwas ratlos vor einem umgekippten Pissoir. »Marcel Duchamp: Fountain« steht auf dem Schild – also Brunnen, Fontäne. Ein stinknormales Urinal aus dem Sanitärhandel mit der Signatur des Künstlers. Eine Diskussion über den Kunstbegriff wollte er damals auslösen. Jedenfalls ließen sich die Ausstellungsmacher in New York im Jahr 1917 kein umgedrehtes Pissbecken als Kunst andrehen. Bei uns in der Ausstellung? No way! Und dann brach eine Riesendiskussion über das Wesen der Kunst los. Die ganze Welt kannte dieses Pissbecken, und deshalb stehe ich 90 Jahre später mit vielen anderen ehrfürchtig staunend davor. Hut ab, Herr Duchamps. Sie sind ein ganz großer Künstler.
    Tag 4 – Nichts anzuziehen
    Ich stehe vor dem rappelvollen Kleiderschrank – und finde nichts zum Anziehen. Jeden Morgen habe ich dieses Problem. Das eine Sakko hat einen Fleck, beim zweiten fehlt ein Knopf, und das tadellose passt nicht zur
Hose. Und dabei fällt mein Blick jeden Morgen wieder auf ein rotes Armani -Sakko mit Schulterpolstern. 1993 war das mal sehr teuer. Das neongelbe Hemd aus New York hängt noch viel länger in wechselnden Schränken. Zusammen mit fast 50 anderen Hemden, von denen ich höchstens fünf wirklich gerne anziehe. Es bleiben nicht viele Stücke, in denen ich mich wirklich wohlfühle. Es ist ein erbärmliches kleines Häuflein auf dem Bett, das ich aus den Schränken gezerrt habe. Der ganze Rest kann eigentlich in die Altkleidersammlung. Einige Hoffnung setze ich noch in den »Reparaturstapel«: Schuhe mit zerrissenen Schnürsenkeln oder kaputter Sohle, Jacken für die Reinigung, jede Menge fehlende Knöpfe. Meine Garderobe ist ein Sanierungsfall. Auch gut gekleidet zu sein gibt der Seele mächtig Auftrieb. Aber loszurennen, um sich einmal komplett neu einzukleiden, würde es nicht bringen. Du kannst dich ja auch nicht mal so eben an einem Nachmittag neu einrichten. Gute Garderobe muss wachsen, Stück für Stück. Genau wie eine Wohnung. Das ist nichts für vier Wochen »Arschtritt«, das ist Feinschliff. Ich mach hier erst mal nur den Rohbau. Neue Unterwäsche aber werde ich noch diese Woche kaufen. Weil rutschende Socken und ausgeleierte Unterhosen das Wohlbefinden doch auch ganz erheblich mindern können. Ich bin zu alt für die Dreierpackung zu 12 Euro.
    Ich stehe vor dem rappelvollen Kleiderschrank – und finde nichts zum Anziehen. Jeden Morgen habe ich dieses Problem.
    Tag 5 – Mit dem inneren

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