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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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anzuziehen und das im Hauptspeicher abgelegte Instruktionsprogramm aufzurufen. Vermutlich kann es alle Ihre Fragen beantworten.«
    Kein Fehler bei den Aufzeichnungen, dachte Rahil, den Blick nach wie vor auf das Empirion gerichtet. Also ein subjektiver Faktor, etwas in meiner Wahrnehmung. Liegt es am Image? Ist es noch nicht richtig integriert, oder steckt eine mentale Fehlfunktion dahinter?
    Zwei oder drei Sekunden lang rang er mit einem klassischen Dilemma. Wenn es Grund zu der Annahme gab, dass eine solche Fehlfunktion existierte, hätte das Image gelöscht und neu übertragen werden müssen, doch das wäre einem »Tod« dieser neuen Identität gleichgekommen. Rahil wollte nicht sterben, nicht so schnell nach seiner Wiedergeburt.
    Das Prickeln im Nacken wurde zu einem Stechen, und diesmal war er sicher – sein Instinkt, nach hundert Jahren in den Diensten der Ägide geschärft, versuchte ihn zu warnen.
    Plötzlich begriff Rahil, dass er trotz der Versiegelung des Instrumentenraums nicht allein war.
    5
    Rahils Blick glitt durch den Raum, vorbei an der silbernen Säule der monochromen Schmiede, über die Instrumente und Geräte, die Anzeigen und Displayfelder. Ein ruhiges, stetiges Summen hing in der Luft, verursacht von der Schmiede, die auf Anweisungen wartete. Der Stuhl neben dem Auswahlterminal passte nicht zum Rest.
    »Schiff?«
    »Exekutor?«
    »Wie viele Personen befinden sich in diesem Raum?«
    »Die Sensoren registrieren zwei.«
    Ein Polymorpher, fuhr es Rahil durch den Sinn. Ich hätte es wissen müssen.
    Er ging zu dem Stuhl. »Ich lasse mich nicht gern ausspionieren.«
    Der Stuhl bewegte sich nicht.
    »Wenn Sie sich nicht sofort in Ihrer normalen Gestalt zeigen, werde ich dieses Ding zertrümmern!«
    Die Stuhlbeine krümmten sich, Sitzfläche und Rückenlehne flossen ineinander und wuchsen in die Länge, veränderten Farbe, Konsistenz und Struktur. Rahil beobachtete, wie sich der Stuhl innerhalb weniger Sekunden in ein humanoides Geschöpf verwandelte, mit einer Haut aus einander überlappenden Schuppen, die jedoch schnell ihre Beschaffenheit veränderten und eine Ägide-Rüstung Kleidung imitierten: hauchdünn, grün und kobaltblau, den Uniformen hochrangiger Kuratoren der Ägide nachempfunden. Zahlreiche Medaillen baumelten an Brust und Kragen.
    »Ich habe Sie ausdrücklich aufgefordert, in Ihrem Quartier zu bleiben. Stattdessen haben Sie sich hierhergeschlichen und meine Privatsphäre verletzt. Warum?«
    Sammaccan zischte, und die Medaillen an der nachgebildeten Uniform glänzten und klirrten, als er sich aufrichtete. »Sie weigern sich, meine Fragen zu beantworten!«, platzte es klagend aus ihm heraus, und das Kommunikationssystem des Shifters übersetzte für Rahil. »Obwohl die Einsatzvorschriften der Ägide Sie dazu verpflichten. Immerhin bin ich Ihr Assistent! Sie haben mir nicht einmal gesagt, warum die Reise so lange dauert, obwohl sie angeblich in Minuszeit stattfindet!«
    Rahil musterte den vor ihm stehenden Reptilienmenschen nachdenklich. Die Polymorphen waren das Ergebnis genetischer Manipulationen, die während der Zeit des Aufbruchs stattgefunden hatten, vor viertausend Jahren, beim Ersten Exodus von der Erde. Ebenso wie die noch viel exotischeren Segler oder die Acquaä des Maritimen Bundes – Planeten, die weder zu den Gefallenen Welten noch der Bruch-Gemeinschaft zählten und, soweit bekannt, vom Ereignis verschont geblieben waren – trugen sie das genetische Erbe des alten Homo sapiens in sich. Aber die damaligen Bioingenieure, Adepten der noch jun gen Wissenschaft der »biologisch-ökologischen Adaptation«, hatten den genetischen Code ihrer Vorfahren erweitert, und auf diese Weise waren neue Menschenspezies entstanden, mit einer eigenen Evolution. Die Folgen der damaligen Umweltanpassungen waren nicht immer positiv gewesen, wie die Segler bewiesen, die nach wie vor – auch nach vier Jahrtausenden – eine Gefahr darstellten, vor allem für die peripheren Welten. Auch die Polymorphen, die außer auf Heraklon noch auf vier anderen Welten lebten, genossen keinen besonders guten Ruf, nicht zuletzt wegen des Krieges, an dem sie damals, mit den Tennerits vom Dutzend verbündet, teilgenommen hatten.
    Rahil drehte sich um, kehrte zur Analyseeinheit zurück, nahm die Rüstung und streifte sie über. Das Empirion passte sich sofort seinem Körper an und stellte die unterbrochenen Nervenverbindungen wieder her.
    »Die Minuszeit betrifft die objektive Dauer des Transits, nicht die

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