Arthur & George
Arthurs Augen zugleich schöner und auch westlicher aus.
Arthur wurden zwei dicke Aktenbündel vorgelegt. Er nahm aufs Geratewohl einen Brief heraus: Ein einziges Blatt war so gefaltet, dass vier eng beschriebene Seiten entstanden.
»Mein lieber Shapurji«, las er. »Es ist mir ein großes Vergnügen, Dich von unserer Absicht in Kenntnis zu setzen, die Verfolgung des Pfarrers zu revidieren!!! (der Schande von Great Wyrley).« Die Handschrift war eher kräftig als säuberlich, dachte er. »… ein gewisses Irrenhaus keine hundert Meilen von Deinem dreimal verfluchten Haus entfernt … und dass Du mit Gewalt fortgeschafft wirst, falls Du Dich zu deutlichen Meinungsäußerungen hinreißen lässt.« Bisher auch keine Rechtschreibfehler. »Ich werde bei erster Gelegenheit eine doppelte Anzahl der teuflischsten Postkarten in Deinem und Charlottes Namen abschicken.« Charlotte war vermutlich die Frau des Pfarrers. »Rache an Dir und Brookes …« Dieser Name war ihm von seinen Recherchen her bekannt. »… habe dem Courier in seinem Namen brieflich mitgeteilt, dass er nicht für die Schulden seiner Frau aufkommt … Ich wiederhole, wir brauchen kein Gesetz über Geisteskrankheiten, um Dich in Gewahrsam zu nehmen, denn diese Leute werden Dich mit Sicherheit festsetzen.« Und dann, in vier absteigenden Zeilen, ein spöttischer Abschiedsgruß:
Fröhliche Weihnachten und ein Frohes Neues Jahr
wünscht Dir
Dein Satan
Gott Satan
»Widerlich«, sagte Sir Arthur.
»Welchen haben Sie da?«
»Einen von Satan.«
»Ja«, sagte der Pfarrer. »Ein eifriger Briefeschreiber.«
Arthur sah sich noch einige andere Schriftstücke an. Von anonymen Briefen zu hören oder auch Auszüge daraus in der Presse zu lesen, war nicht weiter schlimm. Da klangen sie wie dumme Kinderstreiche. Aber einen solchen Brief in der Hand zu halten und dabei mit den Empfängern zusammenzusitzen, das war, wie er nun merkte, etwas ganz anderes. Dieser erste war unflätig mit seiner schurkischen Nennung der Pfarrersfrau bei ihrem Vornamen. Das Werk eines Irren vielleicht; allerdings eines Irren mit einer klaren, wohlgeformten Handschrift und der Fähigkeit, seinem krankhaften Hass und seinen wahnwitzigen Plänen deutlich Ausdruck zu geben. Es wunderte Arthur nicht, dass die Edaljis sich angewöhnt hatten, nachts die Türen zu versperren.
»Fröhliche Weihnachten«, las Arthur vor, noch immer halbwegs ungläubig. »Und Sie haben keinen Verdacht, wer diese ekelhaften Ergüsse geschrieben haben könnte?«
»Verdacht? Nein.«
»Dieses Hausmädchen, das Sie entlassen mussten?«
»Sie wohnt nicht mehr in der Gegend. Sie ist längst fort.«
»Die Familie des Mädchens?«
»Das sind anständige Leute. Sir Arthur, Sie können sich vorstellen, dass wir von Anfang an viel über all das nachgedacht haben. Aber ich habe keinen Verdacht. Ich höre nicht auf Klatsch und Gerüchte, und was hätte ich davon, wenn ich es täte? Klatsch und Gerüchte haben meinen Sohn ins Gefängnis gebracht. Ich kann wohl kaum wollen, dass einem anderen dasselbe angetan wird wie ihm.«
»Es sei denn, er ist der Täter.«
»Ganz recht.«
»Und dieser Brookes – das ist der Lebensmittel- und Eisenwarenhändler?«
»Ja. Er hat eine Zeitlang auch solche Schmähbriefe erhalten. Er hat das gleichgültiger hingenommen. Oder untätiger. Jedenfalls wollte er nicht zur Polizei gehen. Es gab da einen Vorfall mit seinem Sohn und noch einem anderen Jungen in der Eisenbahn – die Einzelheiten habe ich vergessen. Brookes wollte nie gemeinsame Sache mit uns machen. Die Polizei genießt hier in der Gegend wenig Respekt, wie ich leider sagen muss. Von allen Leuten hier brachte unsere Familie der Polizei ironischerweise noch am meisten Vertrauen entgegen.«
»Nur dem Chief Constable nicht.«
»Sein Verhalten war … nicht hilfreich.«
»Mr Aidlji « – Arthur gab sich bei der Aussprache besondere Mühe – »ich will herausfinden warum. Ich habe vor, den Fall noch einmal ganz von vorn aufzurollen. Sagen Sie, hatten Sie – von den direkten Verfolgungen abgesehen – noch unter anderen Feindseligkeiten zu leiden, seitdem Sie hier sind?«
Der Pfarrer sah seine Frau fragend an. »Die Wahl«, antwortete sie.
»Ja, das stimmt. Ich habe mehr als einmal das Schulzimmer für politische Versammlungen zur Verfügung gestellt. Die Liberalen hatten Probleme, Räumlichkeiten zu bekommen. Ich bin selbst ein Liberaler … Es gab Beschwerden von den eher konservativ gesinnten Gemeindemitgliedern.«
»Mehr als
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