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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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Meineid geschworen, um George zu schützen? Die Geschworenen gingen offenbar davon aus. Georges Erklärung war, er habe sich möglicherweise an ein Gatter zu einem Feld gelehnt, auf dem Kühe gehalten wurden. Es wundert mich nicht, dass die Geschworenen ihm nicht glaubten. Das klingt wie etwas, das man aus Angst sagt, nicht wie die Schilderung eines Geschehens. Außerdem hätte sich die Familie dann immer noch eines Meineids schuldig gemacht. Wenn die Haare auf seiner Kleidung gewesen wären, dann hätten sie sie doch gesehen, nicht wahr?«
    Diesmal ließ Wood sich mit der Antwort Zeit. Seit er seinen Dienst bei Sir Arthur angetreten hatte, waren ihm immer neue Funktionen zugewachsen. Sekretär, Faktotum, Unterschriftenfälscher, Beifahrer, Golfpartner, Billardgegner; nun also Versuchskaninchen und Verkünder des Naheliegenden. Außerdem jemand, der sich auf Spott gefasst machen musste. Nun denn, so sei es. »Wenn die Haare nicht auf seinem Mantel waren, als die Edaljis ihn untersuchten …«
    »Ja …«
    »Und wenn sie auch vorher nicht da waren, weil George sich nicht an irgendein Gatter gelehnt hat …«
    »Ja …«
    »Dann müssen sie nachher dorthin gekommen sein.«
    »Nach was?«
    »Nachdem die Kleider aus dem Pfarrhaus fortgeschafft worden waren.«
    »Sie meinen, Dr. Butter hätte sie dorthin getan?«
    »Nein. Ich weiß es nicht. Aber wenn Sie die naheliegende Antwort hören wollen, dann sage ich, die Haare sind nachher dorthin gekommen. Irgendwie. Und in dem Fall lügt nur die Polizei. Oder einige Angehörige der Polizei.«
    »Was durchaus möglich wäre. Wissen Sie, Alfred, Ihr Gedankengang ist nicht unbedingt falsch, das will ich Ihnen lassen.«
    Ein Kompliment, dachte Wood, das Dr. Watson stolz gemacht hätte.
    Am nächsten Tag gaben sie sich weniger Mühe mit ihrer Tarnung, kehrten nach Wyrley zurück und suchten Harry Charlesworth in seinem Melkhaus auf. Durch die Hinterlassenschaften einer Kuhherde wateten sie zu einem kleinen, auf der Rückseite des Bauernhauses angebauten Büro. Dort gab es drei wackelige Stühle, einen kleinen Schreibtisch, eine verdreckte Bastmatte und einen schief an der Wand hängenden Kalender vom vergangenen Monat. Harry war ein blonder junger Mann mit offenen Gesichtszügen, der sich über diese Unterbrechung seiner Arbeit zu freuen schien.
    »Sie kommen wohl wegen George?«
    Arthur sah Wood ärgerlich an, aber der schüttelte den Kopf.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Sie waren gestern Abend im Pfarrhaus.«
    »Ach ja?«
    »Na, jedenfalls wurden zwei Fremde gesehen, die nach Einbruch der Dunkelheit zum Pfarrhaus gingen, und einer davon war ein großer Herr, der seinen Schal hochzog, um seinen Schnurrbart zu verbergen, und der andere war kleiner und trug einen Bowlerhut.«
    »Oje«, sagte Arthur. Vielleicht hätte er doch zu dem Kostümverleih gehen sollen.
    »Und jetzt kommen dieselben beiden Herren, wenn auch nicht mehr so offensichtlich verkleidet, in einer Angelegenheit zu mir, die mir als vertraulich bezeichnet wurde, aber sicher bald verraten wird.« Harry Charlesworth amüsierte sich königlich. Er war auch gern bereit, in Erinnerungen zu schwelgen.
    »Ja, wir sind zusammen zur Schule gegangen, als wir noch klein waren. George war immer sehr still. Hat nie was angestellt wie wir anderen alle. Und intelligent noch dazu. Intelligenter als ich, und ich war damals intelligent. Nicht, dass man das jetzt noch merken würde. Die Intelligenz nimmt nämlich wirklich Schaden, wenn man den ganzen Tag die Kehrseite einer Kuh anguckt.«
    Arthur überhörte diese Abschweifung ins Vulgär-Autobiographische. »Aber hatte George irgendwelche Feinde? War er unbeliebt – wegen seiner Hautfarbe zum Beispiel?«
    Harry überlegte kurz. »Soweit ich mich erinnere, nicht. Aber Sie wissen ja, wie das bei Jungen so ist – sie haben andere Neigungen und Abneigungen als Erwachsene. Und die ändern sich von einem Monat zum anderen. Falls George unbeliebt war, dann eher deshalb, weil er intelligent war. Oder weil sein Vater der Pfarrer war und missbilligte, was Jungen so im Schilde führen. Oder weil er kurzsichtig war. Der Lehrer ließ ihn ganz vorne sitzen, damit er erkennen konnte, was an der Tafel stand. Vielleicht sah das nach Bevorzugung aus. Damit macht man sich eher unbeliebt, als wenn man farbig ist.«
    Harrys Analyse der Gräueltaten von Wyrley war nicht sehr komplex. Die Anklage gegen George war dämlich. Die Polizei war dämlich. Und dass eine mysteriöse Bande nach Einbruch der Dunkelheit

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