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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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Beschwerden?«
    »Ein oder zwei kamen nicht mehr in unsere Kirche, das ist wahr.«
    »Und Sie haben die Räume weiter zur Verfügung gestellt?«
    »Selbstverständlich. Aber ich will nicht übertreiben. Ich spreche von Protesten, scharf formuliert, aber höflich. Ich spreche nicht von Drohungen.«
    Sir Arthur bewunderte die Präzision des Pfarrers ebenso wie seinen Mangel an Selbstmitleid. Dieselben Eigenschaften waren ihm auch bei George aufgefallen. »War Captain Anson daran beteiligt?«
    »Anson? Nein, das war eine rein örtliche Angelegenheit. Anson spielte erst später eine Rolle. Ich habe Ihnen seine Briefe mit herausgelegt.«
    Arthur ging dann mit der Familie noch einmal die Ereignisse von August bis Oktober 1903 durch, immer auf der Hut vor Unstimmigkeiten, übersehenen Einzelheiten oder widersprüchlichen Aussagen. »Im Nachhinein bedaure ich, dass Sie Inspector Campbell und seine Männer nicht fortgeschickt haben, bis die einen Durchsuchungsbefehl in der Hand hatten und Sie sich durch Hinzuziehung eines Solicitors für ihre Rückkehr gewappnet hatten.«
    »Aber so würden sich Schuldige verhalten. Wir hatten nichts zu verbergen. Wir wussten, dass George unschuldig war. Je eher die Polizei unser Haus durchsuchte, desto eher würden sie ihre Ermittlungen in eine Richtung lenken, die mehr Erfolg versprach. Auf jeden Fall haben sich Inspector Campbell und seine Leute ganz korrekt verhalten.«
    Nicht immer, dachte Arthur. Ihm fehlte noch etwas zum Verständnis des Falls, etwas, das mit diesem Besuch der Polizei zu tun hatte.
    »Sir Arthur.« Das war Mrs Edalji, schmächtig, weißhaarig, mit leiser Stimme. »Darf ich Ihnen zwei Dinge sagen? Erstens, wie angenehm es ist, hierzulande wieder eine schottische Stimme zu hören. Erkenne ich da den Tonfall von Edinburgh?«
    »So ist es, Ma’am.«
    »Und das Zweite betrifft meinen Sohn. Sie haben George kennengelernt.«
    »Er hat großen Eindruck auf mich gemacht. Ich kann mir nicht denken, dass viele andere sich nach drei Jahren in Lewes und Portland eine so große körperliche und geistige Stärke bewahrt hätten. Er macht Ihnen alle Ehre.«
    Mrs Edalji lächelte kurz über dieses Kompliment. »Georges größter Wunsch ist, seine Arbeit als Solicitor wieder aufnehmen zu dürfen. Das ist alles, was er je wollte. Er leidet jetzt vielleicht mehr als damals im Gefängnis. Da war alles klarer. Jetzt ist alles ungewiss. Die Incorporated Law Society kann ihn nicht wieder zulassen, bis sein Name von jedem Makel reingewaschen ist.«
    Nichts war für Arthur ein größerer Ansporn als eine von einer sanften, älteren, weiblichen schottischen Stimme vorgetragene Bitte.
    »Seien Sie beruhigt, Ma’am, ich werde einen Riesenlärm machen. Ich werde Krawall schlagen. Etliche Leute werden nicht mehr so ruhig in ihrem Bett schlafen, nachdem ich sie mir vorgeknöpft habe.«
    Dies war aber offenbar nicht das Versprechen, das Mrs Edalji hören wollte. »Das wird wohl so sein, Sir Arthur, und wir sind Ihnen dankbar dafür. Ich will etwas anderes sagen. George ist, wie Sie bemerkt haben, ein recht widerstandsfähiger Junge – oder vielmehr ein widerstandsfähiger junger Mann. Ehrlich gesagt hat uns das beide überrascht. Wir hatten ihn für zarter gehalten. Er ist entschlossen, gegen dieses Unrecht zu kämpfen. Aber das ist auch alles, was er will. Er möchte nicht im Licht der Öffentlichkeit stehen. Er möchte nicht zum Verfechter irgendeiner Sache werden. Er vertritt nichts und niemanden. Er möchte seine Arbeit wieder aufnehmen. Er möchte ein normales Leben führen.«
    »Er möchte heiraten«, warf die Tochter ein, die bis zu diesem Moment geschwiegen hatte.
    »Maud!«, rief der Pfarrer eher erstaunt als tadelnd. »Wie kann das sein? Seit wann? Charlotte – hast du etwas davon gewusst?«
    »Vater, du brauchst nicht zu erschrecken. Ich meine, er möchte ganz allgemein verheiratet sein.«
    »Ganz allgemein verheiratet«, wiederholte der Pfarrer. Er sah seinen berühmten Gast an. »Halten Sie das für möglich, Sir Arthur?«
    »Ich persönlich«, antwortete Arthur mit leisem Lachen, »war nie anders als im Besonderen verheiratet. Dieses Prinzip verstehe ich, und das würde ich auch empfehlen.«
    »Wenn das so ist« – und hier lächelte der Pfarrer zum ersten Mal – »müssen wir George verbieten, im Allgemeinen zu heiraten.«
    Im Imperial Family Hotel nahmen Arthur und sein Sekretär ein spätes Abendessen ein und zogen sich dann in einen leeren Rauchsalon zurück. Arthur zündete

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