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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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in den Scorebooks: W. G. Grace out – gefangen von W. Storer – Bowler A. I. Conan Doyle. Zur Feier dieses Triumphs hatte er ein komisch-heroisches Gedicht von neunzehn Strophen verfasst; doch weder seine Verse noch die Heldentat, die sie für die Nachwelt festhielten, konnten ihn in Wisden’s Almanack bringen. Kapitän von England, wie Partridge einst geweissagt hatte? Eher schon Kapitän im Match Schriftsteller gegen Schauspieler, wie letzten Sommer auf dem Lord’s. An jenem Junitag hatte er als Schlagmann das Spiel mit Wodehouse eröffnet, der komischerweise direkt out war, ohne einen einzigen Punkt zu machen. Arthur selbst schaffte zwei Punkte und Hornung spielte erst gar nicht. Horace Bleakley hatte vierundfünfzig Punkte erzielt. Vielleicht gaben die besten Schriftsteller die schlechtesten Cricketspieler ab.
    Und beim Golf war es das Gleiche, auch dort wurde die Kluft zwischen Traum und Wirklichkeit mit jedem Jahr größer. Aber Billard … also, Billard war ein Spiel, bei dem der Niedergang nicht automatisch auf der Tagesordnung stand. Da konnte man ohne erkennbare Verfallserscheinungen weiterspielen, auch wenn man die Fünfzig, die Sechzig, sogar die Siebzig überschritten hatte. Die Körperkraft war nicht das Entscheidende; es kam auf Erfahrung und Taktik an. Kiss Cannons, Ricochet Cannons, Postman’s Knock, Nursery Cannons an der Kopfbande – was für ein Spiel. Warum sollte er mit ein bisschen mehr Übung und vielleicht dem einen oder anderen Rat von einem Profi nicht zum English Amateur Championship antreten? Seine Long Jennies müsste er natürlich noch verbessern. Er sollte sich jedes Mal sagen: Setz den Ball im Baulk für einen einfachen halben Ball in die obere Tasche auf, und dann spiel ihn ruhig und mit so viel Effet, wie du nur kannst. Wood hatte kaum Probleme mit seinen Long Jennies; bei den Zweibändern hatte er allerdings noch einen weiten Weg vor sich, wie Arthur ihm ständig vor Augen hielt.
    Er ging auf die Fünfzig zu: Bald begann, wenn auch mit Verzögerung, seine zweite Lebenshälfte. Er hatte Touie verloren und Jean gefunden. Er hatte sich von dem wissenschaftlichen Materialismus losgesagt, in den er eingeführt worden war, und einen Weg gefunden, die große Tür zum Jenseits einen Spalt aufzustoßen. Witzbolde behaupteten gern, da den Engländern jeder spirituelle Instinkt abgehe, hätten sie das Cricketspiel erfunden, um ein Gefühl von Ewigkeit zu bekommen. Ignorante Zuschauer bildeten sich ein, Billard sei die endlose Wiederholung des Gleichen. Das war beides dummes Zeug. Die Engländer zeigten ihre Gefühle nicht gern, das stimmte schon – sie waren keine Italiener –, doch sie waren ebenso spirituell veranlagt wie jedes andere Volk. Und zwei Billardstöße waren niemals gleich, so wenig wie zwei menschliche Seelen einander gleich waren.
    Er besuchte Touies Grab in Grayshott. Er legte Blumen darauf, er weinte, und als er gehen wollte, ertappte er sich bei der Überlegung, wann er das nächste Mal wiederkommen würde. In der folgenden Woche oder in zwei Wochen? Und danach? Und danach? Irgendwann würden die Blumen aufhören und seine Besuche seltener werden. Er würde mit Jean ein neues Leben anfangen, vielleicht in Crowborough, in der Nähe ihrer Eltern. Es würde … beschwerlich werden, Touie zu besuchen. Er würde sich einreden, es sei genug, wenn er an sie dächte. Jean würde ihm – so es Gott gefiel – Kinder schenken. Wer würde Touie dann besuchen? Er schüttelte den Kopf, um diesen Gedanken zu vertreiben. Es war sinnlos, künftige Schuld vorwegzunehmen. Man musste nach seinen besten Grundsätzen handeln und alles Weitere so nehmen, wie es kam.
    Dennoch zog es ihn bei der Rückkehr nach Undershaw – bei der Rückkehr in Touies leeres Haus – in ihr Schlafzimmer. Er hatte es nicht umgestalten oder renovieren lassen – wie könnte er? Da stand also das Bett, in dem sie um drei Uhr morgens gestorben war, als der Duft von Veilchen in der Luft lag und ihre zarte Hand in seiner großen, plumpen Pranke ruhte. Mary und Kingsley hatten artig, aber erschöpft und verschreckt dabeigesessen. Touie hatte sich mit ihrem beinahe letzten Atemzug aufgerichtet und zu Mary gesagt, sie solle sich um Kingsley kümmern … Arthur seufzte und trat ans Fenster. Vor zehn Jahren hatte er diesen Raum für sie ausgesucht, weil man von hier den besten Blick hatte, in den Garten hinunter und auf das eigene, spitz zulaufende Tal, wo die Wälder sich trafen. Touies Schlafzimmer, ihr

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