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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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zu rasch. »So ein Irrtum wäre Ihrem Detektiv sicher nicht unterlaufen.«
    Aha, das kommt also als Erstes dran, ja? Doyle sah zu, wie Anson seine eigene Zigarre anzündete. Die Streichholzflamme ließ für einen kurzen Moment den Stafford-Knoten in seiner Krawattennadel aufleuchten.
    »Blanche liest Ihre Bücher«, sagte der Chief Constable mit leichtem Nicken, als sei der Fall damit erledigt. »Sie hat auch eine große Schwäche für Mrs Mary Elizabeth Braddon.«
    Doyle durchfuhr ein jäher Schmerz, das literarische Äquivalent eines Gichtanfalls. Ein weiterer Stich folgte, als Anson fortfuhr: »Ich selbst neige eher zu Stanley Weyman.«
    »Formidabel«, erwiderte Doyle, »formidabel.« Womit er meinte, ich persönlich finde es formidabel, dass Sie Weyman als Schriftsteller bevorzugen.
    »Sehen Sie, Doyle – Sie haben doch sicher nichts dagegen, wenn ich offen rede? –, ich bin zwar nicht das, was Sie einen literarisch bewanderten Menschen nennen würden, doch als Chief Constable sehe ich die Dinge zwangsläufig mit professionelleren Augen als, so vermute ich, die meisten Ihrer Leser. Dass die Polizeibeamten, die Sie in Ihren Geschichten auftreten lassen, ihren Aufgaben nicht gewachsen sind, ist für die Logik Ihrer Erfindungen notwendig, dafür habe ich volles Verständnis. Wie könnte Ihr wissenschaftlicher Detektiv sonst glänzen, wenn er nicht von Trotteln umgeben wäre?«
    Es lohnte nicht, darüber zu streiten. »Trottel« war wohl kaum die richtige Bezeichnung für Lestrade und Gregson und Hopkins und … ach, es lohnte nicht …
    »Nein, ich kann Ihre Gründe voll und ganz verstehen, Doyle. Doch in der wirklichen Welt …«
    Von da an hörte Doyle im Grunde nicht mehr zu. Auf jeden Fall blieb er im Geist bei dem Ausdruck »wirkliche Welt« hängen. Wie leicht jedermann unterscheiden konnte, was wirklich war und was nicht. Die Welt, in der ein unbedarfter junger Solicitor zu einer Zuchthausstrafe in Portland verurteilt wurde … die Welt, in der Holmes einen Fall um den anderen aufklärte, dem Lestrade und seine Kollegen nicht gewachsen waren … oder die Welt des Jenseits, die Welt hinter der verschlossenen Tür, durch die Touie mühelos geschlüpft war. Manche glaubten nur an eine dieser Welten, manche an zwei, einige wenige an alle drei. Warum bildeten die Menschen sich ein, Fortschritt bedeute, an weniger zu glauben, statt an mehr zu glauben, sich einem größeren Teil des Universums zu öffnen?
    »… und darum, mein lieber Freund, werde ich ohne ausdrückliche Anweisung des Innenministeriums meine Inspektoren nicht mit Kokainspritzen und meine Sergeants und Constables nicht mit Geigen ausrüsten.«
    Doyle senkte den Kopf, als müsse er zugeben, dass der Hieb gesessen hatte. Aber damit war es genug der Schauspielerei und der Rolle des höflichen Gasts.
    »Kommen wir zu dem vorliegenden Fall. Sie haben meine Analyse gelesen.«
    »Ich habe Ihre … Geschichte gelesen«, erwiderte Anson. »Eine bedauerliche Angelegenheit, das muss man sagen. Ein Fehler nach dem anderen. Man hätte alles rechtzeitig im Keim ersticken können.«
    Ansons Freimut überraschte Doyle. »Das höre ich gerne. An welche Fehler denken Sie denn?«
    »Die der Familie. Damit hat doch das ganze Unheil angefangen. Die Familie der Frau. Was hat sie sich dabei gedacht? Was hat sie sich nur dabei gedacht? Also wirklich, Doyle: Eine Nichte will unbedingt einen Parsen heiraten – lässt sich nicht davon abbringen – und was tut man? Man verschafft dem Burschen eine Pfründe … hier . In Great Wyrley. Da könnte man auch gleich einen Umstürzler zum Chief Constable von Staffordshire ernennen und abwarten, was dann passiert.«
    »Da würde ich Ihnen zustimmen«, antwortete Doyle. »Sein Patronatsherr wollte damit sicherlich demonstrieren, wie allumfassend die anglikanische Kirche ist. Ich halte den Pfarrer für einen liebenswürdigen und pflichtgetreuen Menschen, der der Gemeinde nach besten Kräften dient. Doch die Einsetzung eines farbigen Geistlichen in eine solch primitive und unkultivierte Gemeinde musste zwangsläufig zu einer bedauerlichen Situation führen. Dieses Experiment sollte gewiss nicht wiederholt werden.«
    Anson sah seinen Gast mit jäh erwachtem Respekt an – selbst in Anbetracht dieser spöttischen Bemerkung über die »primitive und unkultivierte« Gemeinde. Hier gab es mehr Gemeinsamkeiten als erwartet. Er hätte wissen sollen, dass Sir Arthur sich wohl kaum als verbohrter Radikaler erweisen würde.
    »Und uns dann

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