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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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eine edle Veranlagung mit sich bringt.«
    »Wie zu hoffen steht«, wiederholte Mrs Anson. Sie selbst war die Tochter von Mr G. Miller aus Brentry, Gloucester, und nicht sehr neugierig auf ihre fernen Ahnen. Wer andere dafür bezahlte, dass sie ihm den Familienstammbaum nachzeichneten, der würde, wie ihr schien, am Ende immer mit irgendeiner großen Familie verwandt sein. Genealogische Detektive verschickten ihre Rechnungen in aller Regel nicht mit dem Nachweis, dass man auf der einen Seite von Schweinehirten und auf der anderen von fliegenden Händlern abstammte.
    »Nur war es«, fuhr Sir Arthur fort, »zu der Zeit, als Kath e rine Pack – Sir Denis’ Nichte – in Edinburgh zur Witwe wurde, um das Familienvermögen recht prekär bestellt. Ja, sie sah sich gezwungen, einen zahlenden Gast aufzunehmen. Und so lernte mein Vater – der zahlende Gast – meine Mutter kennen.«
    »Entzückend«, bemerkte Mrs Anson. »Überaus entzückend. Und nun widmen Sie sich der Wiederherstellung des Familienvermögens.«
    »Als kleiner Junge tat mir die Armut meiner Mutter sehr weh. Ich spürte, dass sie für etwas anderes geschaffen war. Diese Erinnerung war mir stets ein Ansporn im Leben.«
    »Entzückend«, wiederholte Mrs Anson, was diesmal nicht ganz aufrichtig gemeint war. Edles Blut, schwere Zeiten, ein wiederhergestelltes Vermögen. In einem Buch aus der Leihbibliothek ließ sie sich solche Motive recht gern gefallen, doch wenn sie in leibhaftiger Gestalt vor ihr standen, kamen sie ihr eher unglaubwürdig und sentimental vor. Sie fragte sich, wie lange die Familie sich diesmal würde halten können. Was sagte man doch über schnelles Geld? Eine Generation schafft es, eine genießt es, eine verliert es.
    Aber Sir Arthur war, auch wenn er ein klein wenig mit seiner Ahnenreihe prahlte, ein munterer Tischgenosse. Er bewies einen gesegneten Appetit, aß allerdings ohne den geringsten Kommentar zu dem, was ihm vorgelegt wurde. Mrs Anson war unschlüssig, ob er es vulgär fand, das Essen zu loben, oder einfach keine Geschmacksnerven besaß. Ebenso unerwähnt blieben bei Tisch der Fall Edalji, der Zustand der Strafgerichtsbarkeit, die Amtsführung von Sir Henry Campbell-Bannerman sowie die Großtaten von Sherlock Holmes. Doch es gelang ihnen, Kurs zu halten, wie drei Ruderer ohne Steuermann, wobei Sir Arthur heftig nach einer Seite zog und die Ansons ihre Blätter auf der anderen so weit ins Wasser tauchten, dass das Boot nicht ins Schwanken geriet.
    Die Anchovis-Eier waren verspeist, und Blanche Anson spürte, wie die Männer am Tisch unruhig wurden. Es zog sie in das Arbeitszimmer mit seinen geschlossenen Vorhängen, dem brennenden Feuer und den bereitstehenden Zigarren, zu dem Glas Brandy und der Gelegenheit, sich so zivilisiert wie möglich zu zerfleischen. Mrs Anson konnte über den Wohlgerüchen der Tafel etwas Primitives und Brutales in der Luft wittern. Sie erhob sich und wünschte den Kombattanten eine gute Nacht.
    Die Gentlemen gingen in Captain Ansons Arbeitszimmer, wo bereits ein Feuer prasselte. Doyle nahm das Glitzern weiterer Kohlen in einem Messingeimer wahr, die blanken Rücken gebundener Zeitschriften, einen funkelnden Tantalus für drei Flaschen und den gelackten Bauch eines aufgeblähten Fischs in einer gläsernen Vitrine. Alles glänzte: Selbst das Geweih einer fremdländischen Tierart – irgendein skandinavischer Elch, vermutete er – war der Aufmerksamkeit des Hausmädchens nicht entgangen.
    Er nahm eine Zigarre aus dem dargebotenen Kistchen und rollte sie zwischen den Fingern hin und her. Anson reichte ihm ein Federmesser und eine Schachtel Zigarrenstreichhölzer.
    »Ich lehne den Gebrauch eines Zigarrenabschneiders ab«, erklärte er. »Ich werde immer der sorgfältigen Handhabung eines Messers den Vorzug geben.«
    Doyle nickte und widmete sich seiner Aufgabe, dann schnipste er das abgeschnittene Ende in den Kamin.
    »Wie ich höre, hat uns der Fortschritt der Wissenschaft nun die Erfindung eines elektrischen Zigarrenanzünders beschert?«
    »Wenn ja, ist das in Hindhead noch unbekannt«, antwortete Doyle. Er wollte sich nicht in die Rolle eines Besuchs aus der Großstadt drängen lassen, der auf die Provinz herabsieht. Er erkannte aber das Bedürfnis seines Gastgebers, sich als Herr im eigenen Arbeitszimmer zu behaupten. Nun, wenn das so war, würde er ihm zu Hilfe kommen.
    »Dieser Elch«, sagte er, »stammt vermutlich aus dem Süden von Kanada?«
    »Aus Schweden«, erwiderte der Chief Constable fast

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