Arthur & George
Kandidaten nicht schon erfunden hatte. In einigen seiner weniger erfolgreichen Romane trat ein beratender Detektiv auf, der nach dem Vorbild von Joseph Bell am Hospital von Edinburgh gestaltet war: Intensive Beobachtung gefolgt von streng logischer Deduktion war der Schlüssel zu kriminalistischer wie medizinischer Diagnose. Arthur hatte seinen Detektiv zunächst Sheridan Hope genannt. Mit diesem Namen war er jedoch nicht recht zufrieden, und so wurde Sheridan Hope erst zu Sherringford Holmes und dann – ganz selbstverständlich, wie es im Nachhinein schien – zu Sherlock Holmes.
[Menü]
George
Die Briefe und üblen Scherze dauern an; Shapurjis Bitte an den Täter, sein Gewissen zu erforschen, hat offenbar wie eine zusätzliche Provokation gewirkt. Zeitungen geben bekannt, das Pfarrhaus sei nunmehr eine spottbillige Pension; es sei zu einem Schlachthaus geworden; es versende auf Anfrage Gratisproben von Miederwaren für Damen. George habe sich als Okulist niedergelassen; er biete auch kostenlose Rechtsberatung an und sei befugt, Fahrkarten und Unterkunft für Reisende nach Indien und in den Fernen Osten zu besorgen. Es wird so viel Kohle angeliefert, dass man damit ein ganzes Schlachtschiff hätte heizen können; Enzyklopädien und lebende Gänse treffen ein.
Man kann unmöglich ständig in einem Zustand angespannter Nervosität verharren, und nach einer Weile hat sich die Familie fast an die Nachstellungen gewöhnt. Im ersten Morgenlicht wird das Grundstück des Pfarrhauses abgeschritten; Waren werden an der Pforte zurückgewiesen oder retourniert; enttäuschte Interessenten für esoterische Dienstleistungen werden mit einer Erklärung fortgeschickt. Charlotte entwickelt sogar großes Geschick darin, Geistliche zu beschwichtigen, die mit dringenden Hilfeersuchen aus entlegenen Grafschaften herbeordert wurden.
George hat das Mason College abgeschlossen und ist nun Rechtspraktikant bei einer Kanzlei in Birmingham. Wenn er morgens in den Zug steigt, fühlt er sich jedes Mal schuldig, weil er seine Familie allein lässt; doch der Abend bringt keine Erleichterung, sondern nur eine andere Form der Angst. Auch hat sein Vater sich zu einem – wie George findet – seltsamen Umgang mit der Krise entschlossen: Er erteilt ihm kurze Lektionen darüber, dass die Briten den Parsen schon immer sehr gewogen waren. So erfährt George, dass der allererste Inder, der als Reisender nach Großbritannien kam, ein Parse war; dass der erste Inder, der an einer britischen Universität Theologie studierte, ein Parse war, desgleichen der erste indische Student und später die erste Studentin in Oxford, ebenso der erste Inder und später die erste Inderin, die bei Hofe vorgestellt wurden. Der erste Inder im indischen Staatsdienst war ein Parse. Shapurji erzählt George von Ärzten und Juristen, die in Großbritannien ausgebildet wurden, von der Wohltätigkeit der Parsen während der Hungersnot in Irland und später ihrer Hilfe für die Not leidenden Spinnereiarbeiter von Lancashire. Er erzählt George sogar von der ersten indischen Cricketmannschaft, die England bereiste – jeder einzelne Spieler ein Parse. Doch George hat keinerlei Interesse an Cricket und findet dieses Strategem seines Vaters eher verzweifelt als hilfreich. Als ein zweiter Parse, Muncherji Bhownagree, in North-East Bethnal Green ins Parlament gewählt wird und die Familie ihr Glas darauf erheben soll, steigt ein schändlicher Sarkasmus in George auf. Vielleicht sollte man an den neu gewählten Abgeordneten schreiben, ob er nicht etwas gegen die Lieferungen von Kohle, Enzyklopädien und lebenden Gänsen unternehmen könne?
Shapurji machen die Briefe mehr zu schaffen als diese Lieferungen. Sie scheinen mehr und mehr das Werk eines religiösen Fanatikers zu sein. Sie sind mit Gott, Beelzebub und Teufel unterzeichnet; der Verfasser behauptet, er sei auf ewig in die Hölle verdammt oder sehne diesen Bestimmungsort ernsthaft herbei. Als dieser Wahn dann gewaltsame Absichten erkennen lässt, fürchtet der Pfarrer um seine Familie. »Ich schwöre bei Gott, bald werde ich George Edalji ermorden.« »Möge der Herr mich tot umfallen lassen, wenn das nicht zu Chaos und Blutvergießen führt.« »Ich werde zur Hölle fahren und euch alle mit Flüchen überhäufen und dort werde ich euch wiedersehen, wann es Gott gefällt.« »Das Ende deiner Zeit auf dieser Erde ist nahe und ich bin als Werkzeug Gottes auserwählt diese Aufgabe zu erfüllen.«
Nach mehr als zwei Jahren der
Weitere Kostenlose Bücher