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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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auf den Namen seines Großonkels hörte, ein andermal ein schwarzer Mann mit einem Speer. Nach ein paar Monaten waren selbst für ihn ab und zu Geistlichter zu sehen.
    Arthur war sich nicht sicher, wie viel Beweiskraft diesen gemeinschaftlichen Sitzungen beizumessen war. Eher konnte ihn ein älteres Medium überzeugen, das er im Haus von General Drayson kennenlernte. Nach verschiedenen Präliminarien recht theatralischer Art verfiel der alte Mann schwer atmend in Trance und ließ dann seiner kleinen, ehrfürchtig schweigenden Zuhörerschaft Ratschläge wie auch Botschaften aus dem Jenseits zukommen. Arthur hatte sich mit Skepsis gewappnet – bis die umflorten Augen sich auf ihn richteten und eine schwache, ferne Stimme die Worte sprach:
    »Lies nicht Leigh Hunts Buch.«
    Das war mehr als unheimlich. Arthur überlegte seit einigen Tagen insgeheim, ob er Hunts Comic Dramatists of the Restoration lesen sollte. Er hatte mit niemandem darüber gesprochen, und es war auch kaum eine Frage, mit der er Touie behelligen wollte. Doch dass er eine derart präzise Antwort auf seine unausgesprochene Frage bekam … Ein Zaubertrick konnte das nicht sein; nur die geistige Fähigkeit eines Menschen, sich auf bislang unerklärliche Art und Weise Zugang zum Geist eines anderen Menschen zu verschaffen, konnte das vollbracht haben.
    Dieses Erlebnis hatte Arthur derart überzeugt, dass er es für Light aufschrieb. Es war ein weiterer Beweis dafür, dass Telepathie funktionierte; mehr einstweilen noch nicht. So viel hatte er bisher gesehen: Welcher Minimal-, nicht Maximalschluss ließ sich daraus ableiten? Sollten sich allerdings weitere verlässliche Daten ergeben, wäre womöglich mehr als das Minimum in Erwägung zu ziehen. Was, wenn all seine früheren Gewissheiten zunehmend ungewiss würden? Und was könnte das Maximum überhaupt sein?
    Touie betrachtete die Beschäftigung ihres Mannes mit Telepathie und Geisterwelt mit demselben wohlwollenden und aufmerksamen Interesse, das sie seiner Sportbegeisterung entgegenbrachte. Die Gesetzmäßigkeiten parapsychischer Erscheinungen waren für sie ein ebensolches Mysterium wie die Cricketregeln; doch sie spürte, dass in beiden Fällen ein bestimmtes Ergebnis erwünscht war, und nahm gutherzig an, dass Arthur ihr mitteilen würde, wenn ein solches Ergebnis erzielt worden war. Außerdem wurde sie jetzt sehr von der gemeinsamen Tochter Mary Louise in Anspruch genommen, die ihr Dasein dem Wirken von Gesetzmäßigkeiten verdankte, die weder mysteriös noch telepathisch waren.

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George
    Georges »Entschuldigung« in der Zeitung eröffnet dem Pfarrer einen neuen Ermittlungsweg. Er sucht William Brookes auf, den Eisenwarenhändler des Dorfes und Vater von Frederick Brookes, Georges angeblichem Mitunterzeichner. Der Eisenwarenhändler, ein kleiner, rundlicher Mann mit grüner Schürze, führt Shapurji in einen mit Staubwedeln, Eimern und Zinkwannen vollgehängten Lagerraum. Er nimmt seine Schürze ab, zieht eine Schublade auf und reicht ihm ein halbes Dutzend verleumderischer Briefe, die seine Familie erhalten hat. Sie sind auf dem bekannten linierten, aus einem Notizbuch gerissenen Papier geschrieben, auch wenn das Schriftbild häufiger wechselt.
    In dem obersten Brief steht in kindlichem, unsicherem Gekritzel: »Wenn du nicht von dem Schwarzen wegläufst, bring ich dich und Mrs Brookes um Ich weiß wie ihr heißt und ich werd sagen du hast geschrieben.« Andere zeigen eine zwar verstellte, aber doch energischere Handschrift. »Dein Kind und Wynns Kind haben einer alten Frau auf dem Bahnhof von Walsall ins Gesicht gespuckt.« Der Verfasser verlangt, als Entschädigung sei Geld an das Postamt von Walsall zu schicken. Ein späterer Brief, der an diesen geheftet ist, droht mit einer Anzeige, falls der Forderung nicht Folge geleistet wird.
    »Ich nehme an, Sie haben kein Geld geschickt.«
    »’türlich nicht.«
    »Aber Sie haben die Briefe der Polizei gezeigt?«
    »Polizei? Reine Zeitverschwendung. Sind doch bloß Kindereien, nicht wahr? Und wie es in der Bibel heißt, an Stock und Stein bricht mein Bein, ein Wort tut keinen Tort.«
    Der Pfarrer berichtigt Mr Brookes Quellenangabe nicht. Er spürt auch eine gewisse Trägheit bei ihm. »Aber Sie haben die Briefe nicht einfach in eine Schublade getan?«
    »Ich hab mich ein bisschen umgehört. Ich hab Fred gefragt, was er weiß.«
    »Wer ist dieser Mister Wynn?«
    Wynn ist offenbar ein Tuchhändler, der an derselben Bahnlinie in Bloxwich wohnt. Er

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