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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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Blick musterte, brodelten all die Dinge, die ich nicht wusste, all die Ungewissheit in mir hoch. Zu Hause mochte es nicht perfekt gewesen sein, aber dort hatte ich zumindest gewusst, womit ich zu rechnen hatte – jedenfalls bis gestern. Nun fühlte sich gar nichts mehr vertraut an. Nirgends schien es noch Sicherheit zu geben. Ich ließ die Schultern hängen und umfasste eine Hand mit der anderen, um das Zittern zu unterdrücken.
    »Toll«, sagte Rosa kaum hörbar. »Schwestern.«
    »Ist das eine Nonne?«, flüsterte ich verblüfft.
    »Schlimmer. Hast du mal von den Heilsschwestern gehört?« Als ich den Kopf schüttelte, beugte sie sich zu mir herüber. »Das ist die MM -Version der Frauenbewegung.«
    Ich hätte gern mehr gehört – wenn die Heilsschwestern den Feminismus konterkarieren sollten, was hatte dann eine Frau in leitender Position zu suchen? –, aber in diesem Moment ruckte ihr Kopf zu dem Soldaten neben ihr herum.
    »Bringen Sie sie rein.«
    Wir wurden in die große Eingangshalle des Hauses geführt. Hier war der Boden gefliest, die Wände pfirsichfarben wie in einem Kinderzimmer. Jenseits einer Treppe auf der linken Seite zog sich ein von Türen gesäumter Korridor bis zum hinteren Ende des Gebäudes.
    Nacheinander wurden wir zu einem rechteckigen Klapptisch geführt, an dem wir von zwei Damen mit Aktenordnern in Empfang genommen wurden, die die gleiche weiß-blaue Uniform trugen. Nachdem Rosa sich mit übertriebenem Latina-Akzent vorgestellt hatte, trat ich vor.
    »Name?«, fragte mich eine Dame mit Zahnspange, ohne aufzublicken.
    »Ember Miller.«
    »Ember Miller. Ja, da habe ich sie. Noch ein Artikel 5, Ms Brock.«
    Die zierliche, aber bedrohlich wirkende Frau hinter ihr setzte ein unechtes Willkommenslächeln auf.
    Artikel 5. Dieses Etikett schmerzte wie eine Nadel unter meinem Fingernagel, wann immer es erwähnt wurde. Ich fühlte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg.
    »Nennt mich doch einfach Hester Prynne«, murmelte ich.
    »Sprich deutlich, Liebes. Was war das?«, fragte Ms Brock.
    »Nichts«, antwortete ich.
    »Wenn das, was du gesagt hast, nichts war, dann hättest du besser geschwiegen.«
    Ich blickte auf und konnte nicht vermeiden, dass sich meine Verwunderung in meinen Zügen niederschlug.
    »Außerdem ist sie siebzehn. Im Juli ist sie raus.«
    Mein Herz setzte einen Schlag aus.
    Die können mich doch unmöglich hier festhalten, bis ich achtzehn bin. Ich hatte mit ein paar Tagen gerechnet oder vielleicht so lange, bis wir das nötige Geld für die Kaution zusammenhatten, aber der achtzehnte Juli war noch fünf Monate entfernt! Ich hatte nichts getan, und meine Mutter, deren einziges Verbrechen vielleicht Verantwortungslosigkeit sein mochte, brauchte mich. Ich musste sie finden und nach Hause bringen.
    Katelyn Meadows ist nie wieder heimgekehrt, sagte eine leise, verängstigte Stimme in meinem Kopf. Plötzlich kam mir eine Geldbuße viel zu einfach vor. Als Strafe unrealistisch. Warum sollten die erst Geld dafür vergeuden, mich hierherzuschleifen, wenn sie nur abkassieren wollten? Meine Kehle war wie zugeschnürt.
    »Ms Miller, meinen Akten zufolge haben Sie gestern einen Angehörigen des Federal Bureau of Reformation angegriffen«, sagte Ms Brock. Automatisch schaute ich mich nach Rosa um. Sie hatte einem Soldaten ein Veilchen verpasst; warum war sie dann nicht in Schwierigkeiten?
    »Sie haben meine Mutter mitgenommen!«, wollte ich mich verteidigen, doch mein Mund klappte schnell zu unter ihrem wütenden Blick.
    »Sie werden sich mir gegenüber respektvoll verhalten und mich mit Ms Brock ansprechen, haben Sie verstanden?«
    »Äh … na klar. Ja.«
    »Ja, Ms Brock« , korrigierte sie.
    »Ja, Ms Brock.« Meine Haut fühlte sich enorm heiß an, und ich begriff, was Rosa gemeint hatte; Ms Brock war beinahe noch schlimmer als die Soldaten.
    Sie seufzte voller Duldsamkeit. »Ms Miller, ich kann Ihnen die Zeit hier sehr schwer oder sehr leicht machen. Das ist die letzte Warnung.«
    Ihre Worte verstärkten meine Scham noch.
    »Sie haben Glück«, informierte mich Ms Brock. »Sie werden sich ein Zimmer mit unserer studentischen Hilfskraft teilen. Sie ist schon seit drei Jahren bei uns und kann Ihnen all Ihre Fragen beantworten.«
    Drei Jahre? Ich hatte vor drei Tagen noch nicht geahnt, dass es Orte wie diesen gab, umso weniger, dass es sie schon seit drei Jahren gab. Was konnte sie so Schreckliches getan haben, dass man sie hier so lange festgehalten hatte?
    »Ab zu Ihrer Kohorte, und

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