Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
inzwischen war er nichts weiter als eine verarmte Festung, die die Grenze vor den Sachsen im Osten bewachte. Sämtliche Häuser
außerhalb des aus Erde errichteten Stadtwalls waren von Aelles Angriffstruppen niedergebrannt und nie
wiederaufgebaut worden, während viele der großen römischen Gebäude innerhalb der Wälle zu Ruinen zerfallen waren. Bans Bote erreichte uns in den Überresten der gewölbten Halle eines römischen Bades. Da es Nacht war, brannte in der Grube des alten Tauchbades ein Feuer. Der Rauch stieg ins hohe Dachgewölbe hinauf, wo sich der Wind fing und den Rauch zu einem kleinen Fenster hinausblies. Wir saßen im Kreis auf dem kalten Fußboden und nahmen gerade unsere Abendmahlzeit ein, als Arthur Bans Boten in die Mitte des Kreises führte, wo er eine grobe Landkarte von Dumnonia in die Erde ritzte und dann rote und weiße Mosaiksteinchen plazierte, um uns zu zeigen, wo unsere Feinde und unsere Freunde standen. Die roten Steinchen von Dumnonia wurden überall von den weißen bedrängt. Wir hatten an jenem Tag schon gekämpft, und Arthur hatte eine Speerwunde über dem rechten Wangenknochen davongetragen - keine sehr gefährliche, aber immerhin so tief, daß seine Wange blutverkrustet war. Er hatte ohne Helm gekämpft, weil er behauptete, ohne die hindernde Wehr wesentlich besser sehen zu können, doch hätte der Sachse einen Zoll höher zugestoßen, hätte er seinen Stahl direkt durch Arthurs Hirn gerammt. Er hatte, wie er es normalerweise tat, zu Fuß
gekämpft, weil er seine schweren Rösser für die wirklich verzweifelten Schlachten aufsparen wollte. Ein halbes Dutzend seiner Reiter zog zu Pferd in die Schlacht, aber die meisten seiner teuren und kostbaren Schlachtrösser hatte er tief in Dumnonia zurückgelassen, wo sie vor feindlichen Überfällen sicher waren. Nachdem Arthur an jenem Tag verwundet worden war, hatten unsere wenigen Reiter die sächsischen Linien in alle Winde auseinandergetrieben, ihren Häuptling getötet und die Überlebenden nach Osten zurückgejagt, doch Arthurs knappes Entkommen hatte uns alle beunruhigt. König Bans Bote, ein Häuptling namens Bleiddig, verstärkte unsere gedrückte Stimmung noch.
»Seht Ihr ein«, sagte Arthur zu Bleiddig, »warum ich jetzt nicht fortkann?« Damit deutete er auf die roten und weißen Steinchen.
»Ein Schwur ist ein Schwur«, gab Bleiddig unhöflich zurück.
»Wenn der Prinz Dumnonia verläßt«, mischte sich Fürst Gereint in das Gespräch, »wird Dumnonia untergehen.«
Gereint war ein schwerfälliger, beschränkter Mann, aber aufrichtig und loyal. Als Uthers Neffe hatte er Anspruch auf Dumnonias Thron, machte diesen Anspruch aber niemals geltend und hielt immer getreulich zu Arthur, seinem illegitimen Cousin.
»Eher sollte Dumnonia fallen denn Benoic«, erwiderte Bleiddig, ohne auf das zornige Gemurmel zu achten, das seinen Worten folgte.
»Ich habe geschworen, Mordred zu verteidigen«, gab Arthur zu bedenken.
»Ihr habt geschworen, Benoic zu verteidigen«, erwiderte Bleiddig, Arthurs Bedenken von sich weisend. »Nehmt das Kind mit.«
»Ich muß Mordred sein Königreich übergeben«, beharrte Arthur. »Wenn er geht, verliert das Reich seinen König und damit sein Herz. Mordred bleibt hier.«
»Und durch wen droht er sein Reich zu verlieren?« fragte Bleiddig voll Zorn. Der Häuptling aus Benoic war ein großer, kräftiger Mann, Owain nicht unähnlich, und mit einem großen Teil von Owains brutaler Kraft begabt. »Durch Euch!« Damit deutete er verächtlich auf Arthur. »Hättet Ihr Ceinwyn geheiratet, gäbe es jetzt keinen Krieg! Hättet Ihr Ceinwyn geheiratet, würden jetzt nicht nur Dumnonia, sondern auch Gwent und Powys Truppen aussenden, um meinem König zu Hilfe zu eilen!«
Männer schimpften, und Schwerter wurden gezogen, doch Arthur forderte laut rufend Schweigen. Ein Tropfen Blut lief aus seiner Gesichtswunde und rann über seine schmale, hohe Wange. »Wie lange dauert es«, wollte er von Bleiddig wissen,
»bis Benoic fällt?«
Bleiddig runzelte die Stirn. Es war klar, daß er die Antwort nicht wußte; dennoch nannte er sechs Monate bis zu einem Jahr. Die Franken, sagte er, hätten frische Armeen an die Ostgrenze seines Landes gebracht, und Ban sei nicht in der Lage, sie alle abzuwehren. Bans eigenes Heer, angeführt von seinem Champion Bors, halte die nördliche Grenze, während die Männer, die Arthur unter dem Oberbefehl seines Cousins Culhwch zurückgelassen hatte, die Südgrenze verteidigten. Arthur
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