Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
starrte auf seine Landkarte aus roten und weißen Steinchen. »Drei Monate«, sagte er, »dann werde ich kommen. Wenn ich kann! Drei Monate. Inzwischen aber, Bleiddig, werde ich Euch eine Kriegshorde guter Kämpfer mitgeben.«
Bleiddig machte Einwände und sagte, Arthurs Schwur verlange sein sofortiges Erscheinen auf dem Kriegsschauplatz in Armorica. Arthur ließ sich jedoch nicht beeinflussen. In drei Monaten, sagte er, oder gar nicht. Bleiddig mußte diesen Kompromiß akzeptieren.
Arthur gab mir ein Zeichen, daß ich ihn auf einem Spaziergang unter der Kolonnade des kleinen Innenhofs neben der Halle begleiten solle. In diesem Hof standen Fässer, die wie eine Latrine stanken, aber er schien den Geruch nicht zu bemerken. Als er begann: »Gott weiß, Derfel«, wußte ich sofort, daß er unter unerträglichem Druck stand, weil er überhaupt einen Gott erwähnte, und mir fiel auch auf, daß er den christlichen Singular benutzte, obwohl er sich sofort verbesserte. »Die Götter wissen, daß ich Euch nicht verlieren will, aber ich brauche einen Mann, der sich nicht fürchtet, einen Schildwall zu durchbrechen. Ich muß Euch aussenden.«
Seit Arthur mich zum Hauptmann ernannt hatte, redete er mich mit »Ihr« an.
»Lord Prinz…«, setzte ich an.
»Nennt mich nicht Prinz«, unterbrach er mich zornig. »Ich bin kein Prinz. Und widersprecht mir nicht. Im Augenblick widersprechen mir alle. Jeder scheint zu wissen, wie dieser Krieg zu gewinnen ist, nur ich nicht. Melwas verlangt nach Ersatztruppen, Tewdric braucht mich im Norden, Cei sagt, daß
er weitere einhundert Speerkämpfer braucht, und jetzt ruft auch noch Ban nach mir! Wenn er mehr Geld auf seine Armee und weniger auf seine Poeten verschwendet hätte, wäre er jetzt nicht in dieser Notlage!«
»Poeten?«
»Ynys Trebes ist ein Hort der Poeten«, erläuterte er erbittert. Ynys Trebes war König Bans Insel-Hauptstadt. »Poeten!
Speerkämpfer brauchen wir, keine Dichter!« Er hielt inne und lehnte sich an eine Säule. Er wirkte so erschöpft, wie ich ihn niemals zuvor erlebt hatte. »Wenn wir nicht endlich mit diesen Kriegen aufhören«, sagte er, »kann ich überhaupt nichts erreichen. Wenn ich nur mit Cuneglas verhandeln könnte, von Angesicht zu Angesicht, gäbe es vielleicht einen Funken Hoffnung.«
»Nicht, solange Gorfyddyd lebt«, entgegnete ich.
»Nicht, solange Gorfyddyd lebt«, bestätigte er. Dann verstummte er, und ich wußte, daß er an Ceinwyn und Guinevere dachte. Das Mondlicht, das durch einen Spalt im Dach der Kolonnade fiel, übergoß sein knochiges Gesicht mit Silber. Als er die Augen schloß, wußte ich, daß er sich selbst die Schuld an diesem Krieg zuschrieb, doch was geschehen war, konnte nicht rückgängig gemacht werden. Ein neuer Friede mußte geschlossen werden, und es gab nur einen einzigen Mann, der Britannien diesen Frieden aufzwingen konnte: Arthur. Er öffnete die Augen und zog eine Grimasse.
»Was riecht hier so?« fragte er mich, als er den Gestank endlich bemerkte.
»Die Leute bleichen hier ihre Tuche, Lord«, erklärte ich ihm und deutete auf die mit Urin und gewaschenem Hühnerkot gefüllten Fässer, deren Inhalt benutzt wurde, um kostbare weiße Tuche herzustellen, wie Arthur sie für seine Mäntel bevorzugte.
Normalerweise hätte Arthur einen solchen Beweis für Gewerbetätigkeit in einer so heruntergekommenen Stadt wie Durocobrivis begrüßt, an jenem Abend quittierte er den Gestank nur mit einem Achselzucken und berührte das frische Blutrinnsal auf seiner Wange. »Eine Narbe mehr«, sagte er wehmütig. »Bald werde ich ebenso viele haben wie Ihr, Derfel.«
»Ihr solltet Euren Helm tragen, Lord«, mahnte ich ihn.
»Dann kann ich weder nach rechts noch nach links sehen«, gab er abwinkend zurück. Er stieß sich von der Säule ab und bedeutete mir, mit ihm unter den Arkaden spazierenzugehen.
»Hört zu, Derfel. Der Kampf gegen die Franken ist nicht anders als der Kampf gegen die Sachsen. Sie sind allesamt Germanen, und die Franken haben nichts Besonderes an sich, höchstens vielleicht, daß sie außer den üblichen Waffen Wurfspeere tragen. Laßt also beim ersten Angriff den Kopf unten, aber von da an heißt es nur, Schildwall gegen Schildwall. Sie sind erbitterte Kämpfer, aber sie trinken viel zuviel, daher kann man normalerweise schneller denken als sie. Deswegen schicke ich Euch. Ihr seid zwar jung, aber Ihr könnt denken, und das ist mehr, als die meisten unserer Soldaten können. Die glauben, es reicht schon,
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