Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
mich nach Durnovaria, Derfel, und anschließend zieht Ihr aus, um Bans Königreich Benoic zu retten.«
»Wenn ich kann«, antwortete ich grimmig.
»Wenn Ihr könnt«, wiederholte Arthur. »Um mein Gewissen zu entlasten.« Die letzten Worte setzte er sehr leise hinzu; dann trat er mit seinem gestiefelten Fuß eine Fliesenscherbe beiseite und scheuchte damit eine Katze auf, die einen Buckel machte und uns erbost anfauchte. »Vor drei Jahren«, sagte er bedrückt, »erschien mir alles so unendlich einfach.«
Dann aber kam Guinevere.
Am folgenden Tag zog ich mit sechzig Mann nach Süden.
»Hat er Euch geschickt, um mir nachzuspionieren?«
erkundigte sich Guinevere lächelnd.
»Nein, Lady.«
»Der liebe Derfel«, spöttelte sie, »meinem geliebten Gemahl so ähnlich.«
Das überraschte mich. »Bin ich das wirklich?«
»Ja, Derfel, das seid Ihr. Nur daß er sehr viel klüger ist. Gefällt es Euch hier?« Sie deutete auf den Innenhof.
»Es ist wunderschön«, beteuerte ich. Die Villa in Durnovaria war natürlich römisch, auch wenn sie Uther früher einmal als Winterpalast gedient hatte. Als er sie bewohnte, war sie mit Sicherheit nicht wunderschön, doch Guinevere hatte dem Gebäude etwas von seiner ehemaligen Eleganz
zurückgegeben. Der Innenhof war von einer Kolonnade wie der in Durocobrivis umgeben, doch hier waren alle Dachziegel an ihrem Platz und alle Säulen weiß getüncht. Die inneren Wände der Kolonnade waren mit Guineveres Muster - Hirsche unter Halbmonden - bemalt. Der Hirsch war das Symbol ihres Vaters, der Halbmond ihr persönlicher Beitrag dazu, und das fortlaufende Muster sah wirklich wunderhübsch aus. In den Blumenbeeten, durch die sich kleine, geflieste Kanäle zogen, wuchsen weiße Rosen. Zwei Jagdfalken hockten auf ihren Stangen, und als wir um den römischen Rundgang schritten, zuckten ihre Köpfe unter der Falkenhaube. Überall im Innenhof standen Statuen, allesamt - Männer wie Frauen - nackt, während unter der Kolonnade blumenbekränzte Bronzeköpfe auf Sockeln thronten. Um den Hals eines dieser Bronzeköpfe hing die Kette, die ich ihr von Arthur überbracht hatte. Guinevere hatte ein paar Sekunden mit seinem Geschenk gespielt und dann die Stirn gerunzelt. »Eine primitive Arbeit, nicht wahr?« hatte sie mich gefragt.
»Prinz Arthur findet sie wunderschön, Lady, und Eurer Schönheit würdig.«
»Der liebe Arthur«, hatte sie obenhin gesagt, sich den häßlichen Bronzekopf eines finster dreinblickenden Mannes ausgesucht und ihm die Kette um den Hals gelegt. »Das macht ihn schöner«, behauptete sie. »Ich werde ihn Gorfyddyd nennen. Er sieht aus wie Gorfyddyd, meint Ihr nicht auch?«
»Ganz recht, Lady«, stimmte ich zu. Die Büste hatte in der Tat etwas von Gorfyddyds mürrischem, unglücklichem Gesicht.
»Gorfyddyd ist eine Bestie«, sagte Guinevere. »Er hat versucht, mir meine Jungfernschaft zu rauben.«
»Ach, wirklich?« brachte ich mühsam heraus, als ich mich vom Schock dieser Enthüllung erholt hatte.
»Doch der Versuch ist fehlgeschlagen«, ergänzte sie energisch. »Er war betrunken. Er hat mich von oben bis unten beschleimt. Richtig gestunken habe ich nach seinem Schleim, bis hierher.« Sie berührte ihre Brüste. Sie trug ein schlichtes weißes Leinengewand, das ihr in glatten Falten von den Schultern bis auf die Füße fiel. Das Leinen mußte atemberaubend teuer gewesen sein, denn der Stoff war so aufreizend dünn, daß ich, wenn ich sie anstarrte - was ich tunlichst zu vermeiden suchte -, unter dem Gewand ihren nackten Körper zu erkennen vermochte. An ihrem Hals hing ein aus Gold geschmiedetes Abbild des mondgekrönten Hirsches, ihre Ohrringe waren in Gold gefaßte
Bernsteintropfen, und an ihrer linken Hand trug sie einen Ring, der mit Arthurs Bären und dem Kreuz der Liebenden verziert war. »Schleim, Schleim«, sagte sie genußvoll, »und als er fertig war, oder vielmehr, als er aufhörte, einen Anfang zu versuchen, und tränenreich schniefte, er wolle mich zu seiner Königin und zur reichsten Königin von Britannien machen, ging ich zu Iorweth und holte mir von ihm einen Zauber gegen einen unerwünschten Verehrer. Daß es sich um den König handelte, sagte ich dem Druiden natürlich nicht, obwohl es vermutlich keine Rolle gespielt hätte, weil Iorweth alles tut, wenn man ihm nur ein Lächeln schenkt; er machte mir also den Zauber, und ich vergrub ihn. Dann brachte ich meinen Vater dazu, Gorfyddyd mitzuteilen, ich hätte einen Todeszauber gegen die Tochter
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