Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
marschierte über den mit Steinbrocken übersäten Boden zu einer Holzhütte, die neben der Mauer von Naburs Haus stand. Sie ließ die Hunde von der Leine, damit sie frei herumlaufen konnten. »Wo ist die Statue, Sansum?« rief sie über die Schulter zurück und trat gegen die Tür, so daß sie aufflog.
»Nun ja, gnädigste Lady, ich habe versucht, sie für Euch zu retten, doch Gott der Herr hat befohlen, sie einzuschmelzen. Für die Armen, versteht Ihr?«
Wütend fuhr sie zu dem Bischof herum. »Bronze! Was sollen die Armen mit Bronze anfangen? Können sie die etwa essen?« Sie sah mich an. »Eine Statue des Merkur, Derfel, so hoch wie ein ausgewachsener Mann und wundervoll
gearbeitet. Wundervoll! Römische Arbeit, nicht britische, und jetzt ist sie fort, eingeschmolzen in einem Christenofen, weil ihr…« - wieder starrte sie Sansum voller Verachtung an -
»Schönheit nicht vertragen könnt. Ihr habt alle Angst davor. Ihr seid wie Würmer, die einen Baum zu Fall bringen; ihr habt keine Ahnung, was ihr tut.« Gebückt trat sie durch die Tür der Hütte, die offensichtlich jene Wertgegenstände enthielt, die Sansum in den Ruinen des Tempels gefunden hatte. Mit einer kleinen Steinstatuette in der Hand kam sie wieder hervor und warf sie ihren Wachen zu. »Es ist nicht viel«, sagte sie, »aber wenigstens ist sie sicher vor einem Zimmermannswurm, der in einem Viehschuppen geboren wurde.«
Sansum, der trotz aller Beleidigungen immer noch lächelte, fragte mich, wie die Kämpfe im Norden stünden. »Ganz allmählich gewinnen wir«, antwortete ich.
»Sagt meinem Lord, dem Prinzen Arthur, daß ich für ihn bete.«
»Bete lieber für seine Feinde, du Kröte«, fiel Guinevere ihm ins Wort, »dann werden wir vielleicht schneller gewinnen.« Sie beobachtete ihre beiden Hunde, die an die neuen
Kirchenwände pißten. »Letzten Monat ist Cadwy in unsere Richtung vorgestoßen«, erklärte sie mir, »und uns bedrohlich nahe gekommen.«
»Gottlob wurden wir verschont«, ergänzte Bischof Sansum fromm.
»Ohne dein Zutun, du erbärmlicher Wurm«, fauchte Guinevere. »Die Christen haben Fersengeld gegeben. Haben die Röcke geschürzt und sind nach Osten gerannt. Wir anderen sind geblieben, und Lanval hat Cadwy, den Göttern sei Dank, schließlich abgewehrt.« Sie spie in Richtung auf die neue Kirche. »Mit der Zeit«, behauptete sie, »werden wir uns von unseren Feinden befreien, und wenn das geschieht, Derfel, werde ich diesen Kuhstall abreißen und einen Tempel errichten lassen, der eines echten Gottes würdig ist.«
»Für Isis?« erkundigte sich Sansum verschlagen.
»Vorsicht!« warnte ihn Guinevere. »Denn meine Göttin regiert die Nacht, du Kröte, und könnte sich zu ihrer Belustigung deine Seele holen. Obwohl nur die Götter wissen, was man mit deiner elenden Seele überhaupt anfangen sollte. Kommt, Derfel.«
Die beiden Jagdhunde wurden gerufen, dann kehrten wir auf den Hügel zurück. Guinevere zitterte vor Wut. »Seht Ihr, was er uns antut? Reißt alles ein, was alt ist! Und warum? Damit er uns seinen billigen kleinen Aberglauben aufzwingen kann. Warum läßt er die alten Götter nicht in Ruhe? Wenn diese Narren einen Zimmermann anbeten wollen - von mir aus. Was kümmert's uns? Je mehr Götter, desto besser, finde ich. Warum andere Götter beleidigen, nur um den eigenen zu erheben? Das ist doch unsinnig.«
»Wer ist Isis?« fragte ich sie, als wir durch das Tor ihrer Villa gingen.
Sie warf mir einen belustigten Blick zu. »Ist das eine Frage meines lieben Gemahls, die ich da höre?«
»Ja«, gestand ich.
Sie lachte. »Gut gemacht, Derfel. Die Wahrheit ist immer äußerst erstaunlich. Also ist Arthur wegen meiner Göttin besorgt?«
»Er ist besorgt«, widersprach ich, »weil Sansum ihn mit Geschichten von Mysterien beunruhigt.«
Sie nahm ihren Umhang ab und ließ ihn auf die Fliesen des Innenhofs fallen, wo ihn eine Sklavin aufheben würde.
»Berichtet Arthur«, sagte sie, »daß er sich keine Sorgen zu machen braucht. Zweifelt er an meiner Zuneigung?«
»Er betet Euch an«, erwiderte ich taktvoll.
»Und ich ihn.« Sie schenkte mir ein kurzes Lächeln. »Sagt ihm das, Derfel«, setzte sie dann voll Herzlichkeit hinzu.
»Das werde ich, Lady.«
»Und sagt ihm, daß er sich wegen Isis ebenfalls keine Gedanken zu machen braucht.« Impulsiv ergriff sie meine Hand. »Kommt«, forderte sie mich auf - genau wie vorhin, als sie mich zu dem neuen Christenschrein führte. Diesmal jedoch zog sie mich, über die
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