Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
bin Galahad«, erklärte er, »und bin stolz darauf, Derfel Cadarn kennenzulernen.«
Ich dankte ihm. Dann zwang ich mich, zu König Ban hinüberzugehen, und kniete trotz seiner ausdrücklichen Abneigung gegen respektvolle Gesten vor ihm nieder. »Ich bitte um Vergebung für die Beleidigung Eures Hauses, Lord König«, sagte ich, »und unterwerfe mich Eurer Bestrafung.«
»Bestrafung?« wiederholte Ban verwundert. »Seid nicht so töricht. Das ist nur der Wein. Zuviel Wein. Wir sollten unseren Wein verwässern, wie es die Römer taten, nicht wahr, Pater Celwin?«
»Das wäre lächerlich«, antwortete der alte Priester.
»Keine Bestrafung, Derfel«, entschied Ban. »Und bitte, erhebt Euch; ich kann es nicht leiden, wenn man mich anbetet. Worin bestand Eure Beleidigung denn? Ihr seid im Streit lediglich ein bißchen hitzig geworden, und was kann das schon schaden?
Ich mag Auseinandersetzungen, nicht wahr, Pater Celwin? Ein Mahl ohne Streitgespräche ist wie ein Tag ohne Poesie…« - hier ignorierte der König die bissige Bemerkung des Priesters, wie gesegnet ein solcher Tag sein würde - »und mein Sohn Lancelot ist ein ungestümer Mensch. Er hat das Herz eines Kriegers und die Seele eines Poeten, und das ist, fürchte ich, eine äußerst brisante Mixtur. Bleibt und eßt.« Ban war ein überaus großzügiger Monarch, doch mir fiel auf, daß Königin Elaine über seine Entscheidung alles andere als erfreut war. Sie hatte graue Haare, ihr Antlitz jedoch war faltenlos und strahlte einen Liebreiz und eine Gelassenheit aus, die zu Ynys Trebes' heiterer Schönheit paßte. In diesem Augenblick sah mich die Königin jedoch mit strenger Mißbilligung an.
»Haben alle dumnonischen Krieger so schlechte Manieren?«
fragte sie niemanden im besonderen mit ätzender Stimme.
»Wollt Ihr, daß alle Krieger Höflinge sind?« gab Celwin grob zurück. »Wollt Ihr Eure kostbaren Poeten aussenden, damit sie die Franken töten? Und ich meine nicht, indem sie ihnen ihre Verse vortragen, obwohl auch das nicht ohne Wirkung bleiben würde.« Grinsend sah er die Königin an, und die drei Dichter erschauerten. Celwin mußte das Verbot von allem Häßlichen in Ynys Trebes irgendwie umgangen haben, denn ohne die Kapuze, die er in der Bibliothek getragen hatte, schien er ein erstaunlich ungestalter Mensch zu sein, mit einem scharfen Auge, einer verschimmelten Klappe über dem anderen, einem sauer verzogenen Mund, fettigen
Haarsträhnen, die hinter seiner Tonsur herabhingen, einem verdreckten Bart, der fast ganz das grobe Holzkreuz verbarg, das ihm auf die hohle Brust hing, und einem schiefen Körper, der zu einem enormen Buckel verwachsen war. Die graue Katze, die in der Bibliothek über seinen Nacken drapiert war, lag jetzt zusammengerollt auf seinem Schoß und tat sich an den Resten des Hummers gütlich.
»Kommt mit zu meinem Ende der Tafel«, forderte mich Galahad auf, »und meßt Euch keine Schuld an dem Streit zu.«
»Aber das tue ich«, gab ich zurück. »Es war meine Schuld. Ich hätte mich beherrschen sollen.«
»Mein Bruder«, erklärte Galahad, nachdem für mich ein Platz geschaffen worden war, »vielmehr mein Halbbruder liebt es, Menschen zu provozieren. Das ist sein Sport, aber die meisten wagen es nicht, sich zu wehren, weil er der Edling ist, und das bedeutet, daß er eines Tages die Macht über Tod und Leben haben wird. Aber Ihr habt genau richtig gehandelt.«
»Nein, nein. Es war falsch!«
»Ich will nicht streiten. Aber ich werde Euch heute nacht aufs Festland bringen.«
»Heute nacht?« Ich war überrascht.
»Mein Bruder ist ein sehr schlechter Verlierer«, sagte Galahad leise. »Wollt Ihr ein Messer zwischen die Rippen, während Ihr schlaft? An Eurer Stelle, Derfel Cadarn, würde ich mich zu meinen Männern auf dem Festland gesellen und ruhig in ihrer Mitte schlafen.«
Ich blickte zum anderen Ende der Tafel, wo der schöne dunkle Lancelot von seiner Mutter getröstet wurde, die ihm mit einer in Wein getauchten Serviette das Blut vom Gesicht tupfte.
»Halbbruder?« fragte ich Galahad.
»Ich bin der Sohn der Geliebten des Königs, nicht der seiner Gemahlin.« Galahad beugte sich zu mir hinüber und erklärte mit gedämpfter Stimme: »Aber mein Vater ist gut zu mir und besteht darauf, daß ich Prinz genannt werde.«
König Ban stritt sich im Augenblick mit Pater Celwin über irgendeinen obskuren Punkt der christlichen Theologie. Ban debattierte mit höflicher Begeisterung, während Celwin mit Beleidigungen um sich
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