Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Handschriften. »Der liebe Silius Italicus! Ich besitze alle achtzehn Bände seiner Geschichte des Zweiten Punischen Krieges. Alle natürlich in Versen. Welch ein Schatz!«
»Der zweite aufgeblähte Krieg«, gackerte der Priester.
»Das ist meine Bibliothek«, sagte Ban stolz, als er mich hinausführte, »die Zierde von Ynys Trebes! Das und unsere Poeten. Tut mir leid, daß wir Euch gestört haben, Pater!«
»Läßt sich ein Kamel von einem Grashüpfer stören?« gab Pater Celwin zurück. Dann schloß sich die Tür hinter uns, und ich folgte dem König an der barbusigen Harfenistin vorbei dorthin zurück, wo Bleiddig wartete.
»Pater Celwin erforscht die Flügelspanne der Engel«, verkündete Ban voll Stolz. »Sollte ich ihn vielleicht auch nach der Unsichtbarkeit fragen ? Er scheint wirklich alles zu wissen. Aber seht Ihr nun, Derfel, warum es so wichtig ist, daß Ynys Trebes nicht in die Hand der Feinde fällt? In diesem kleinen Palast, mein lieber Derfel, lagert die Weisheit unserer ganzen Welt, aus Ruinen gerettet und in ehrfürchtigen Gewahrsam genommen. Ich möchte wissen, was das ist, ein Kamel. Wißt Ihr zufällig, was ein Kamel ist, Bleiddig?«
»Eine Kohlensorte, Lord. Die Schmiede brauchen sie, um Stahl zu fertigen.«
»Ach ja, wirklich? Interessant! Aber Kohle würde sich doch nicht von einem Grashüpfer stören lassen - oder? Diese Möglichkeit würde sich wohl kaum ergeben. Also warum sie in Erwägung ziehen? Ein wenig verwirrend. Ich muß unbedingt Pater Celwin fragen, sobald er in der Stimmung ist, sich fragen zu lassen, was nicht sehr oft geschieht. Doch nun zu Euch, junger Mann. Ich weiß zwar, daß Ihr gekommen seid, um mein Königreich zu retten, und daß Ihr ungeduldig auf diese Aufgabe wartet, aber zunächst muß ich Euch bitten, zur Abendmahlzeit zu bleiben. Meine Söhne sind nämlich hier, beide Krieger! Ich hatte zwar gehofft, daß sie ihr Leben der Dichtkunst und der Gelehrsamkeit widmen, aber die Zeiten verlangen Krieger, nicht wahr? Immerhin schätzt mein geliebter Lancelot die fili ebensosehr wie ich, also besteht noch Hoffnung für unsere Zukunft.« Er hielt inne, krauste die Nase und schenkte mir ein freundliches Lächeln. »Ihr werdet, glaube ich, recht gern ein Bad nehmen.«
»Werde ich das?«
»Aber ja«, verkündete Ban energisch. »Leanor wird Euch zu Eurem Gemach begleiten, Euch das Bad bereiten und Euch mit Kleidung versorgen.« Er klatschte in die Hände, und die erste Harfenistin erschien. Es handelte sich offensichtlich um Leanor.
Ich befand mich in einem Palast am Meer, der voll Licht und Schönheit war, erfüllt von Musik, der Dichtkunst geweiht und verzaubert von Bewohnern, die, wie mir schien, aus einem anderen Zeitalter und einer anderen Welt stammten. Und dann begegnete ich Lancelot.
»Ihr seid ja fast noch ein Kind«, sagte Lancelot zu mir.
»Das ist richtig, Lord«, gab ich zurück. Ich aß gerade Hummer, der in zerlassener Butter schwamm. Weder vorher noch nachher habe ich, wie ich glaube, jemals etwas so Köstliches gegessen.
»Arthur beleidigt uns, indem er uns ein Kind schickt«, stieß
Lancelot nach.
»Das ist nicht richtig, Lord«, sagte ich, während mir die Butter in den Bart tropfte.
»Wollt Ihr mich der Lüge zeihen?« fragte mich Prinz Lancelot, Kronprinz von Benoic.
Ich sah ihn lächelnd an. »Ich zeihe Euch eines Irrtums, Lord Prinz.«
»Sechzig Mann?« höhnte er. »Ist das alles, was Arthur aufbringen kann?«
»Ja, Lord«, antwortete ich.
»Sechzig Mann, befehligt von einem Kind«, sagte Lancelot verächtlich. Er war höchstens ein bis zwei Jahre älter als ich, wirkte jedoch so gelangweilt von der Welt wie ein weit älterer Mann. Er war auf eine aufdringliche Weise schön, hochgewachsen und gut gebaut, mit einem schmalen, dunkeläugigen Gesicht, das in seiner Männlichkeit so überwältigend war wie Guineveres in seiner Weiblichkeit, aber es lag etwas beunruhigend Schlangenhaftes in Lancelots unnahbarer Erscheinung. Er hatte schwarze Haare, die er zu geölten Locken frisiert und mit goldenen Kämmen festgesteckt hatte; Schnurrbart und Kinnbart waren sauber getrimmt und geölt, bis sie glänzten, und er benutzte ein Parfüm, das nach Lavendel duftete. Er war der bestaussehende Mann, der mir begegnet war - und schlimmer noch, er wußte es -, und ich verabscheute ihn vom ersten Augenblick an. Wir begegneten uns in Bans Festhalle, die ganz anders war als alle Festhallen, die ich bisher besucht hatte. Diese prunkte mit Marmorsäulen,
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