Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
weißen Vorhängen, die den Seeblick verschleierten, und glatt verputzten Wänden, die mit Göttern, Göttinnen und Fabeltieren bemalt waren. Diener und Wachen säumten die Wände dieses wunderschönen Saales, der von unzähligen kleinen Bronzeschalen voller Öl, in denen Dochte schwammen, beleuchtet wurde, während dicke
Bienenwachskerzen auf dem langgestreckten Tisch brannten, dessen weißes Tafeltuch ich ebenso großzügig mit Butter betropfte wie die ungewohnte Toga, die mir König Ban zu diesem Festmahl aufgedrängt hatte.
Ich liebte die Speisen und haßte die Gesellschaft. Pater Celwin war anwesend, und ich hätte es begrüßt, wenn ich mich mit ihm unterhalten hätte können, aber er machte sich über einen der drei Dichter an der Tafel lustig, die alle zu König Bans geliebter Gruppe der fili gehörten, während ich zu Prinz Lancelot ans andere Ende des Tisches verbannt worden war. Königin Elaine, die neben ihrem Gemahl, dem König, saß, verteidigte die Dichter gegen Celwins spitze Bemerkungen, die weitaus amüsanter zu sein schienen als Prinz Lancelots giftige Konversation. »Arthur beleidigt uns«, behauptete Lancelot zum wiederholten Male.
»Es tut mir leid, daß Ihr das glaubt, Lord«, sagte ich.
»Streitet Ihr Euch eigentlich nie, Knabe?« wollte er von mir wissen.
Ich blickte in seine glanzlosen, harten Augen. »Ich finde, daß
es für einen Krieger nicht ratsam ist, sich bei einem Festmahl zu streiten, Lord Prinz«, entgegnete ich.
»Dann seid Ihr also ein furchtsames Kind«, höhnte er. Ich seufzte; dann senkte ich die Stimme. »Sucht Ihr tatsächlich Streit, Lord Prinz?« fragte ich ihn, denn meine Geduld neigte sich dem Ende zu. »Wenn ja, dann nennt mich ein einziges Mal noch Kind, und ich werde euch den Kopf von den Schultern reißen.« Dabei lächelte ich freundlich.
»Kind«, sagte er nach kurzem Zögern.
Ich warf ihm einen verwunderten Blick zu, denn ich fragte mich, ob er ein Spiel trieb, dessen Regeln ich nicht erraten konnte, doch wenn er das tat, war es ihm tödlich ernst damit.
»Zehnmal das Schwarze Schwert«, sagte ich.
»Was?« Er runzelte die Stirn, weil er die Mithrasformel nicht kannte, die bedeutete, daß er nicht mein Bruder war. »Seid Ihr wahnsinnig geworden?« fragte er, und dann, nach einer Pause: »Seid Ihr nicht nur ein furchtsames, sondern auch ein wahnsinniges Kind?«
Da schlug ich ihn. Ich hätte mich beherrschen sollen, aber mein Unbehagen und mein Zorn waren stärker als alle Vorsicht. Mit dem Ellbogen versetzte ich ihm einen Rückwärtsstoß, daß ihm das Blut aus der Nase schoß, die Lippe aufplatzte und er rücklings vom Stuhl kippte. Am Boden liegend, versuchte er mich mit dem umgestürzten Stuhl zu treffen, aber ich war zu schnell und zu nah bei ihm, so daß er nicht viel Kraft in den Schlag legen konnte. Flink trat ich den Stuhl beiseite, riß Lancelot hoch und rammte ihn rücklings gegen eine Säule, knallte seinen Kopf gegen den Marmor und stieß ihm das Knie zwischen die Beine. Er krümmte sich. Seine Mutter schrie laut auf, während König Ban und seine Dichtergäste mich offenen Mundes anstarrten. Ein aufgeregter Wachsoldat mit weißem Mantel setzte mir seinen Speer an die Kehle. »Nehmt das weg«, befahl ich ihm, »oder Ihr seid ein toter Mann.« Er zog die Speerspitze zurück.
»Was bin ich, Lord Prinz?« fragte ich Lancelot.
»Ein Kind«, antwortete er.
Ich preßte ihm meinen Unterarm gegen den Hals, so daß er fast erstickte. Er wehrte sich, vermochte mich aber nicht zurückzustoßen. »Was bin ich, Lord?« fragte ich abermals.
»Ein Kind«, krächzte er.
Eine Hand berührte meinen Arm, und ich drehte mich um. Vor mir stand ein blonder Mann in meinem Alter, der mir zulächelte. Da er am anderen Ende der Tafel gesessen hatte, vermutete ich, daß er zu den Poeten gehörte, aber diese Annahme war falsch. »Das, was Ihr soeben getan habt, wollte ich schon immer einmal tun«, sagte der junge Mann, »aber wenn Ihr erreichen wollt, daß mein Bruder Euch nicht mehr beleidigt, müßt Ihr ihn töten, und dann verlangt die Familienehre, daß ich Euch töte, und das möchte ich eigentlich nicht.«
Ich nahm den Arm von Lancelots Kehle. Ein paar Sekunden blieb er dort stehen und rang nach Atem. Dann schüttelte er den Kopf, spuckte mich an und kehrte an die Tafel zurück. Seine Nase blutete, seine Lippen schwollen an, und das sorgfältig geölte Haar hing ihm in traurigen Strähnen vom Kopf. Sein Bruder schien unseren Kampf amüsant zu finden.
»Ich
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